Es muß nicht immer Kaviar sein
vier Augen, Herr General!« Thomas Lieven bemühte sich, bedeutungsvoll auszusehen.
Der General überlegte lange. Dann entließ er seinen Adjutanten mit einer Kopfbewegung.
Kaum hatte dieser den Salon verlassen, legte Thomas los wie ein Maschinengewehr: »Herr General, ich mache Sie hiermit zum Geheimnisträger. Wenn ich gegangen bin, werden Sie augenblicklich vergessen, daß Sie mir je begegnet sind …«
»Haben Sie den Verstand verloren?«
»… ich eröffne Ihnen eine ›Geheime Führungssache‹. Sie geben mir Ihr Wort als Offizier, daß kein Wort darüber Ihren Mund verläßt …«
»Eine solche Unverschämtheit ist mir ja noch nie …«
»… Ich hatte strikten Befehl von Admiral Canaris …«
»Ca-Canaris?«
»… Canaris persönlich, unbedingt auf meiner Identität als amerikanischer Diplomat zu beharren. Die Umstände zwingen mich nun dazu, Ihnen die Wahrheit zu sagen. Bitte sehr.« Mit einer weiten Bewegung knöpfte Thomas Lieven seine Weste auf und entnahm einer Innentasche einen Ausweis. »Lesen Sie, Herr General!«
Felseneck las.
Das Dokument, das er in der Hand hielt, war ein echter Ausweis der Deutschen Abwehr, ausgestellt von einem gewissen Major Fritz Loos, Abwehroffizier beim Wehrbezirkskommando Köln. Thomas hatte den Ausweis aufbewahrt in der Überzeugung, daß er ihn noch einmal brauchen würde …
Der General sagte entgeistert: »Sie … Sie sind bei der Abwehr?«
»Wie Sie sehen!« Thomas war jetzt in Fahrt. »Wenn Herr General Zweifel an meinen Worten hegen, ersuche ich, augenblicklich ein Führungsblitzgespräch nach Köln anzumelden!« – Wenn er telefoniert, bin ich erledigt. Wenn er nicht telefoniert, bin ich gerettet – ging ihm durch den Kopf.
»Aber Sie müssen doch verstehen …«
Es scheint, ich bin gerettet, dachte Thomas und schrie: »Wissen Sie, wer die beiden Leute sind, die da nebenan warten? Wichtigste französische Geheimnisträger! Bereit, für uns zu arbeiten!« Er schlug auf die schwarze Tasche. »Hierin befinden sich Dossiers und Listen mit den Namen aller Angehörigen des ›Deuxième Bureau‹. Verstehen Sie jetzt vielleicht, was auf dem Spiel steht?« General von Felseneck war erschüttert. Nervös trommelte er auf die Tischplatte. Thomas Lieven dachte: Dossiers, Listen, Namen von Agenten. Wenn meine Landsleute, die Deutschen, diese Listen bekommen, dann werden sie die französischen Agenten töten. Blut, viel Blut wird fließen. Aber wenn sie diese
nicht
bekommen? Dann werden diese französischen Agenten alles tun, um Deutsche umzubringen. Mir gefällt weder das eine noch das andere. Ich hasse Gewalt und Krieg. Also muß ich mir sehr genau überlegen, was mit dieser schwarzen Tasche geschehen soll.
Später
werde ich mir das überlegen. Jetzt muß ich erst einmal raus hier …
Der General stotterte: »Trotzdem – trotzdem verstehe ich das nicht. Wenn die Leute für uns arbeiten wollen, warum dann diese Geheimnistuerei?«
»Herr General, begreifen Sie doch! Die französische Abwehr jagt hinter uns her! Jede Minute kann ein Anschlag erfolgen! Darum hatte der Admiral die Idee, die beiden Herrschaften unter dem diplomatischen Schutz einer neutralen Macht zu transportieren und in einem Schloß vor Bordeaux zu verstecken, bis ein Waffenstillstand geschlossen ist!« Thomas lachte bitter auf. »Wir haben die Möglichkeit nicht einkalkuliert, daß ein pflichtbewußter deutscher Oberleutnant uns einen Strich durch die Rechnung machen könnte!« Er nickte ernst. »Zeit ist verlorengegangen, kostbarste Zeit! Herr General, wenn die beiden Leute den Franzosen in die Hände fallen, dann sind die Folgen – die
internationalen
Folgen – unabsehbar … Und nun melden Sie schon endlich Köln an!«
»Aber ich
glaube
Ihnen doch!«
»Sie glauben mir! Wie gütig! Dann gestatten Sie wenigstens, daß
ich
Köln anrufe und diese Panne melde!«
»Hören Sie, ich hatte gerade solchen Ärger. Muß das denn sein?«
»Was heißt: muß das sein? Wie soll das weitergehen? Wenn ich mich jetzt endlich entfernen darf, dann riskiere ich doch, daß wir an der nächsten Straßenecke von einem Ihrer übereifrigen Herren wieder verhaftet werden!«
Der General stöhnte: »Ich gebe Ihnen einen Passierschein … Sie werden nicht mehr angehalten werden – nie mehr …«
»Na schön«, sagte Thomas. »Noch eines, Herr General: Machen Sie dem Oberleutnant Zumbusch keine Vorwürfe mehr. Er hat nur seine Pflicht getan. Stellen Sie sich vor, ich wäre ein französischer Agent
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