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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Casablanca hierherkommen, dann doch bestimmt nicht bloß, um meinem unrühmlichen Ende beizuwohnen. Stimmt’s?«
    Débras wandte sich um und nickte. Er sagte: »Sie dreimal verflixter Boche!«
    »Wollen wir also diese ungastliche Stätte verlassen. Der Geruch hier peinigt mich. Zudem dürfen wir Madame wirklich nicht warten lassen. Und ich möchte auch gerne noch am Bahnhof vorbeifahren.«
    »Wieso Bahnhof?« fragte Siméon mit stierem Blick.
    »Dort gibt es eine Blumenhandlung, die nachts offen hat«, belehrte ihn Thomas freundlich. »Ich muß noch ein paar Orchideen kaufen …«
     
    Josephine Baker erschien Thomas Lieven so schön wie noch nie. Sie empfing ihn im Salon ihres Appartements im »Hôtel de Noailles« an der Cannebière, der Hauptstraße von Marseille.
    Das blauschwarze Haar trug Josephine zu einer glänzenden Krone hochgesteckt, riesige weiße Ringe hingen in den Ohren. Samtig glänzte die dunkle Haut. Das Regenbogenfeuer eines großen Ringes mit einer Rose aus Brillanten stach Thomas Lieven in die Augen, als er der Frau, die er verehrte, die Hand küßte.
    Ernst nahm sie den Cellophankarton mit den drei rosaroten Orchideen in Empfang. Ernst sagte sie: »Ich danke Ihnen, Herr Lieven. Nehmen Sie Platz. Maurice, willst du bitte den Champagner öffnen?«
    Sie waren zu dritt, denn Débras hatte den Oberst Siméon in einem Anfall von Ungeduld in sein Quartier geschickt.
    Thomas Lieven sah sich im Salon um. Es gab einen großen Spiegel und einen Flügel, auf dem Noten zu Haufen lagen. Thomas erblickte auch ein Plakat:
    Opernhaus Marseille
    JOSEPHINE BAKER
    in DIE KREOLIN
    Oper in drei Akten von JACQUES OFFENBACH
    Premiere: 24. Dezember 1940
    Oberst Débras füllte Kristallgläser. Er sagte: »Trinken wir auf die Frau, der Sie Ihr Leben verdanken, Herr Lieven!«
    Thomas verneigte sich tief vor Josephine: »Ich habe immer gehofft, daß Sie meine Handlungsweise verstehen würden, Madame. Sie sind eine Frau. Gewiß hassen Sie Gewalttat und Krieg, Blutvergießen und Mord noch mehr als ich.«
    »Gewiß«, sagte die schöne Frau. »Aber ich liebe auch mein Land. Sie haben uns großen Schaden zugefügt, indem Sie die echten Listen vernichteten.«
    »Madame«, antwortete Thomas, »hätte ich Ihrem Land nicht noch größeren Schaden zufügen können, wenn ich die Listen nicht vernichtet und den Deutschen übergeben hätte?«
    Débras mischte sich ein: »Das stimmt, kein Wort mehr darüber. Schließlich haben Sie mir aus Madrid herausgeholfen. Sie sind eben ein Grenzfall, Lieven. Aber das schwöre ich Ihnen: Wenn Sie uns noch einmal hereinlegen, gibt es keinen Champagner mehr, wie sehr Josephine auch Ihre Handlungsweise verstehen mag. Das nächste Mal kommen Sie nicht von der Mole zurück!«
    »Hören Sie, Débras, ich habe Sie gern! Wirklich, aufrichtig. Ich habe auch Frankreich gern. Aber ich schwöre Ihnen schon jetzt: Wenn Sie mich zwingen, wieder für Sie zu arbeiten, dann werde ich Sie wieder hereinlegen, denn ich will keinem Land schaden – auch nicht meinem.«
    Leise fragte Josephine: »Und der Gestapo?«
    »Bitte?«
    »Hätten Sie auch Bedenken, der Gestapo zu schaden?«
    »Dies zu tun, Madame, wäre mir ein spezieller Hochgenuß.«
    Oberst Débras hob eine Hand: »Sie wissen, daß wir zur Zeit mit englischer Unterstützung im besetzten und unbesetzten Frankreich einen neuen Geheimdienst und eine Widerstandsbewegung aufbauen.«
    »Das weiß ich, ja.«
    »Von seinen neuen Vorgesetzten in Paris erhielt Oberst Siméon den Auftrag, Sie nach Marseille zu locken und umzulegen. Er sprach aber erst mit Josephine über Sie. Josephine benachrichtigte mich und bat mich einzugreifen …«
    »Madame«, sagte Thomas mit einer Verneigung, »darf ich Ihnen noch etwas Champagner nachgießen?«
    »Lieven, ich muß zurück nach Casablanca. Josephine folgt mir in den nächsten Wochen. Wir haben gewisse Befehle von London erhalten. Siméon bleibt dann allein hier zurück. Was halten Sie von Siméon?«
    Artig antwortete Thomas: »Da müßte ich lügen.«
    Débras seufzte: »Siméon ist ein herzensguter Mensch. Ein glühender Patriot.«
    »Ein heroischer Soldat!« assistierte Thomas.
    »Ein mutiger Draufgänger!« assistierte Josephine.
    »Ja, ja, ja«, sagte Débras, »aber etwas fehlt ihm eben leider. Wir wissen alle, was ihm fehlt, ich brauche es nicht auszusprechen.«
    Thomas nickte bedauernd.
    »Mut beweist man nicht mit der Faust allein«, sagte Josephine. »Man braucht auch den Kopf dazu. Sie, Herr Lieven, und Oberst

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