Es muss nicht immer Mord sein
ich an, aber
ich finde, sie ist ein wenig zu alt für Comedy-Abende in einem Pub in
Islington, Sophie. Du hättest sie dort bemerkt. Sie wäre einfach nicht zu
übersehen gewesen.«
»Aber mal angenommen, ich habe nicht, und sie
war dort, und jetzt denkt sie, ich imitiere sie...«
»Das würde sie zur schizophrenen Paranoikerin
machen.«
»Ist das eine medizinische Diagnose oder eine
aus einem Horror-Roman?« fragte ich.
»Sophie, sie ist einfach eine alte Frau, die ein
bißchen seltsam ist...«
Ich bemerkte, daß er die einigermaßen
unattraktive Angewohnheit hatte, mit vollem Mund zu reden.
»Wart mal, trotzdem«, sagte ich. »Ich meine,
John Lennon wurde von einem seiner Fans umgebracht, oder? Und Ronald Reagan,
dieser Typ, der versucht hat, ihn zu erschießen und unglücklicherweise
vorbeigetroffen hat, der sagte, das sei ihm von einer Figur in einem Film
befohlen worden...«
»Sie ist bloß eine alte Frau, Sophie. Sie dürfte
wohl kaum einen 45er Colt in der Handtasche haben. Und du, also ich meine, du
bist eine Stegreifkomikerin, die samstags gelegentlich in einer Kneipe
auftritt, keine Oscar-Preisträgerin oder...«
»Oder der Präsident der Vereinigten Staaten«,
beendete ich den Satz für ihn. »Yeah, du hast recht, tut mir leid. Aber, ich
meine, du hast sie doch glotzen gesehen, oder?«
»Sie hat auf die andere Straßenseite geschaut,
ja. Wo sollte sie denn auch sonst hinsehen?«
»Aber sie hat ihren Stuhl herumgedreht. Das ist
der entscheidende Punkt. Sorry.«
Ich konnte sehen, daß das Thema Dave zu
langweilen begann, und ich ihm allmählich ganz schön auf die Nerven ging.
Sieht mir ähnlich, dachte ich; sobald ich einen
netten, alleinstehenden, aufrichtigen Kerl finde, mit dem ich ausgehen kann,
wird mein Leben unheimlich.
In dieser Nacht machten wir uns nicht mal die
Mühe, miteinander zu schlafen.
Kapitel Zwanzig
»Du siehst
gräßlich aus«, sagte Jools, als
wir aus dem dunklen Schoß der Sauna heraus in den hellerleuchteten Bereich
kamen, wo es zu den Duschen und Umkleideräumen ging.
»Danke«, erwiderte ich. »Ich hab’ nicht viel
Schlaf bekommen.«
»Ah. Dave?«
»Ja, aber nicht so, wie du jetzt denkst.«
Ich deutete an, daß ich das hier nicht erklären
wollte. Die Mädchen-unter-sich-Atmosphäre des Umkleidebereichs hatte etwas an
sich, das viele andere Clubmitglieder mit den persönlichsten Geheimnissen
herausplatzen ließ, während sie unter der Dusche standen. Ich hatte hier
zahlreiche Intimitäten über Pilzinfektionen und verspätete Perioden gehört,
aber auch banalere Debatten über die Wirksamkeit von Pflegeshampoo. Ich bin
sicher, daß eine Reihe anderer Clubmitglieder vollkommen über den Fortschritt
meiner Beziehung mit Dave auf dem Laufenden waren, aber ich wollte meine
gegenwärtigen Sorgen nicht unbedingt zum Allgemeingut machen.
Wir kauften uns ein paar Sandwiches, gingen auf
den Friedhof und setzten uns dort hin.
Ich versuchte zu erklären, was geschehen war.
»Vielleicht bilde ich mir das alles ja nur ein«,
sagte ich. »Ich meine, in Wirklichkeit ist nichts passiert. Ich wünsche mir
beinahe, irgendwas würde geschehen, bloß damit ich weiß, was los ist. Inzwischen
scheint es da draußen gleich zwei Spinner zu geben, die sich für mich
interessieren. Glaubst du, ich bin dabei, verrückt zu werden?«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Jools.
Ich schaute sie an, um zu sehen, ob sie Witze
machte. Tat sie nicht.
»Ich meine, das alles hat in der Bank
angefangen, dann erzählt mir Dave von dieser Frau in der Show, die dann in
meiner Straße auftaucht. Dann ist da die merkwürdige Alte. Vielleicht gehören
die ja zusammen. Ich krieg’s einfach nicht auf die Reihe. Ich weiß, das hört
sich ein bißchen jämmerlich an, aber ich bin erleichtert, daß meine Mutter
morgen zurückkommt. Ich denke, vielleicht gehe ich einfach hin und wohne bei
ihr. Ich hab’ Angst. Hört sich lächerlich an, aber so ist es. Letzte Nacht hat
mich jedes Knarren im Haus und jedes vorbeifahrende Auto wach werden lassen.«
»Kommt Dave heute abend vorbei?« fragte Jools.
»Nein«, sagte ich. »Ich glaube, er hat von
meinen Problemen so ziemlich die Nase voll. Ich glaube, er hat beschlossen,
mich sozusagen als Mogelpackung zurückgehen zu lassen. Ich meine, er hat
gedacht, er ist mit einer normalen, gesunden Frau zusammen, die Sinn für Humor
besitzt, und dann verwandelt sie sich in ein brabbelndes neurotisches Wrack...«
»Tja, paß auf, ich hab’ weiter nichts vor.
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