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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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in
den Spiegel aus meiner Handtasche, um zu sehen, ob mein hastig aufgetragener
roter Lippenstift noch an Ort und Stelle war. War er. Ich steckte gerade den
Spiegel weg, als ich eine vertraute Gestalt bemerkte, die die Straße entlang
auf den Pub zukam. Sie betrat die Kneipe und kam einen Moment später mit einem Glas
Wasser in der Hand wieder heraus. Dann entdeckte sie einen freien Platz und
setzte sich, wobei sie den Stuhl mit einem kratzenden Geräusch so auf dem
Bürgersteig herumdrehte, daß sie mein Haus auf der anderen Straßenseite sehen
konnte.
    Ohne wirklich darüber nachzudenken, stand ich
auf, ging zu ihr hin und stellte mich genau vor sie.
    »Hallo«, sagte ich.
    Die alte Frau wirkte verärgert.
    »Ich möchte wissen, warum Sie mich beobachten«,
sagte ich ganz ruhig.
    »Ich habe Sie nicht beobachtet, nicht, bis Sie
sich mir in den Weg gestellt haben«, erwiderte sie in bestimmtem Ton.
    »Doch, das haben Sie. Ich habe Sie jetzt
mehrmals meine Wohnung beobachten sehen, und Sie haben mit meinem Freund
geredet. Ich habe den Verdacht, daß Sie mich außerdem angerufen und dann aufgelegt
haben. Warum?«
    »Sind Sie verrückt oder was?« sagte die Frau.
»Ich weiß ja nicht mal, wer Sie sind.«
    Mir war bewußt, daß einige der Kneipengäste ihr
Geplauder eingestellt hatten und meinen Auftritt beobachteten, um zu sehen, ob
ich das gute Muttchen belästigte.
    »Ich möchte lediglich wissen«, sagte ich bewußt
leise, »warum Sie sich derart für meine Angelegenheiten interessieren.«
    »Ich darf doch wohl noch ungestört ein Glas
Wasser trinken, oder?« sagte sie und wurde dabei lauter.
    »Ich versuche lediglich, was auf die Reihe zu
kriegen. Ich meine, wenn Sie es einfach erklären würden, wäre ich weniger
verwirrt...«
    »Ich habe doch gewußt, daß Sie echt seltsam
sind«, sagte sie ziemlich bösartig, »schon als ich Sie das erste Mal gesehen
habe. Sind sie rauschgiftsüchtig oder so was?«
    »Echt seltsam?« sagte ich. »Haben Sie >echt
seltsam< gesagt?«
    »Die Jugend von heute. Die haben viel zuviel
Freiheit, wenn Sie mich fragen«, sagte sie zu niemandem im besonderen, aber im
Bewußtsein, daß sie die Aufmerksamkeit der halben Kneipe auf sich gezogen
hatte. »Dieser ganze Sex und die Drogen, und weiß der Himmel, was noch alles.
Zu unserer Zeit haben wir nicht soviel gewußt, verstehen Sie. Und Sie, junge
Dame« — sie tippte mir auf die Schulter — »sollten sich um Ihren eigenen Kram
kümmern und Ihr Näschen nicht in Dinge stecken, die Sie nichts angehen.«
    Ich machte ihr den Weg frei. Sie verschränkte
nahezu triumphierend die Arme. Ich erwartete fast, daß das Kneipenpublikum
anfangen würde, ihr zu applaudieren, aber sie wandten sich verlegen wieder
ihren Drinks zu und gaben vor, nicht bemerkt zu haben, wie ich abgekanzelt
worden war.
    Dave hatte den letzten Rest des Gesprächs
mitbekommen, als er von der Toilette zurückkam.
    »Tja«, sagte er lachend, »die hat’s dir aber
gezeigt. Wer ist das? Die Klatschtante aus der Nachbarschaft?«
    »Das ist die«, zischte ich, »die mich andauernd
beobachtet.«
    Ich sah zu ihm hoch und wartete auf seine
Bestätigung.
    »Schau mal, ich will dich nicht beunruhigen,
Soph«, sagte Dave, »aber das ist definitiv nicht die Frau, die ich vorhin
gesehen habe.«
     
    Mir war jetzt eigentlich nicht mehr danach, zu
dem Konzert zu gehen, aber Dave bestand darauf, daß es mich auf andere Gedanken
bringen würde. Angesichts dessen, daß die Musik so laut war, daß ich mich
selbst kaum denken hören konnte, war es für ein paar Stunden eine erfolgreiche
Ablenkung, aber als wir den Club verließen, begann ich sofort wieder an die
alte Frau zu denken.
    »Hast du irgendwas zu essen da?« fragte Dave,
als wir die Kentish Town High Street hinuntergingen.
    »Ich fürchte, nein«, sagte ich.
    »Du bist auch zu überhaupt nichts zu
gebrauchen«, sagte er nur halb im Scherz. »Ich bin am Verhungern. Was schlägst
du vor?«
    Auf der Chalk Farm Road gibt es eine türkische
Imbißstube, die ich noch nie geschlossen gesehen habe. Dave bestellte sich eine
große Portion Döner mit Pommes Frites, und ich stocherte in ein paar Oliven
herum.
    »Die Sache ist, daß sie ganz deutlich ein
paarmal >echt seltsam< gesagt hat«, meinte ich.
    »Oh, du bist doch nicht immer noch bei dem
Thema, oder?« fragte Dave.
    »Vielleicht hat sie ja die Show gesehen und sich
wiedererkannt. Hast du nicht auch gefunden, daß sie genau wie meine Bühnenfigur
redet?«
    »Na ja, ein bißchen schon, nehme

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