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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sein sollten, es aber nicht waren. Man hatte hier einen Verkehrsstrom im Gegenuhrzeigersinn für den gesamten Innenstadtbereich schaffen wollen. Das Ergebnis war aber, wie ein Redakteur der Derry News im Vorjahr geschrieben hatte, ein in der Hölle ersonnener Kreisverkehr.
    Wie immer schweiften Bills Blicke rasch nach links und rechts, schätzten den Verkehrsstrom ab, suchten nach Lücken. Eine einzige Fehlleistung – ein einziges Stottern, sozusagen -, und er würde schwer verletzt oder tot sein.
    Er brauste mit voller Geschwindigkeit durch den nur langsam vorankommenden Verkehr an der verstopften Kreuzung, überfuhr eine rote Ampel, wich einem Buick aus und warf blitzschnell einen Blick über die Schulter nach hinten, um sich zu vergewissern, dass die mittlere Fahrbahn frei war. Als er wieder nach vorn schaute, stellte er fest, dass er in wenigen Sekunden in einen Lieferwagen hineinrasen würde, der mitten auf der Kreuzung stehen geblieben war, während der Fahrer sich den Hals verrenkte, um alle Verkehrszeichen zu studieren und sicherzugehen, dass er nicht falsch abgebogen war und dann möglicherweise in Miami Beach landete.
    Die Fahrbahn rechts von Bill wurde von einem großen Bus (Derry – Bangor) blockiert. Trotzdem schwenkte Bill in diese Richtung – immer noch mit gut fünfundsechzig Kilometern pro Stunde – und schloss die Lücke zwischen dem Lieferwagen und dem Bus. In letzter Sekunde warf er den Kopf nach rechts, damit der Seitenspiegel des Lieferwagens ihm nicht die Zähne einschlug. Heißer Dieselgeruch aus dem Bus brannte ihm in der Kehle wie ein Schluck hochprozentigen Alkohols. Er hörte ein dünnes, metallisches Quietschen, als der Griff seines Lenkers die Busseite touchierte. Aus den Augenwinkeln sah er den erschrockenen, leichenblassen Busfahrer, der ihm mit der Faust drohte und etwas rief – Bill vermutete, dass es kein »Happy Birthday« war.
    Drei alte Damen kamen von der New-England-Bank-Seite und überquerten die Main Street in Richtung Shoeboat. Sie hörten das Rattern der Spielkarten und blickten auf. Ihnen kippte gemeinschaftlich die Kinnlade herunter, als plötzlich fünfzehn Zentimeter vor ihnen ein Junge auf einem Fahrrad vorbeisauste.
    Das Schlimmste – und das Beste – lag nun hinter ihm. Er hatte wieder einmal der sehr realen Möglichkeit seines Todes ins Auge geblickt. Aber der Bus hatte ihn nicht zermalmt, er hatte weder sich selbst noch die drei alten Damen umgebracht. Er hatte auch das Heck des Lieferwagens nicht als Prellbock benutzt. Nun fuhr er wieder hügelaufwärts, und seine Geschwindigkeit nahm beträchtlich ab. Etwas-konnte man es Verlangen nennen? Traf es das? – nahm parallel dazu ab. Alle Gedanken, alle Erinnerungen holten ihn wieder ein – hi Bill, wir hatten dich fast aus den Augen verloren, aber da bist du ja wieder -, krochen sein Shirt hoch, sprangen in sein Ohr und sausten in sein Hirn wie kleine Kinder, die eine Rutsche herunterrutschen. Er konnte spüren, wie sie wieder ihre angestammten Plätze in seinem Kopf einnahmen.
    Du denkst zu viel, Bill.
    Nein, das war nicht das Problem, sondern dass er sich zu viel ausmalte.
    Er bog in die Richard’s Alley und erreichte gleich darauf die Center Street. Jetzt trat er nur noch langsam in die Pedale und spürte den Schweiß auf dem Rücken und in den Haaren. Er stellte Silver vor dem Drugstore ab und ging hinein.

6
     
    Vor Georges Tod hätte Bill dem Apotheker Mr. Keene die Sachlage mündlich erklärt. Mr. Keene war nicht unbedingt freundlich – zumindest war das Bills Eindruck -, aber er war geduldig und machte nie dumme Witze oder zog ihn auf. Doch jetzt war sein Stottern viel schlimmer geworden, und er hatte eine Heidenangst, dass mit Eddie etwas Schlimmes passieren könnte, wenn er sich nicht beeilte.
    Deshalb griff er, als Mr. Keene sagte: »Hallo, Bill Denbrough, was kann ich für dich tun?«, nach einem Faltprospekt für Vitamine und schrieb auf die Rückseite: Eddie Kaspbrak und ich haben in den Barrens gespielt. Er hat einen schlimmen Assmahanfall[HdS1] bekommen, er kann kaum atmen. Können Sie mir ein neues Assmah-Spray für ihn geben?
    Er schob den Prospekt über die Glastheke zu Mr. Keene hinüber, der Bills Nachricht las, seine verängstigten blauen Augen sah und sagte: »Natürlich, Bill. Wart einen Moment. Und fass nichts an.«
    Bill trat ungeduldig von einem Bein aufs andere, während Mr. Keene hinter der hohen Trennwand beschäftigt war. Obwohl es in Wirklichkeit nicht einmal fünf Minuten

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