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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kalten Stimmen lachen, wo manche Dreiecke vier Seiten haben und manche fünf und manche fünf in die fünfte Potenz erhoben. In diesem Universum wachsen vielleicht singende Rosen. Alles führt zu allem, hätte er ihnen gesagt, wenn er gekonnt hätte. Geht in eure Kirche und hört euch Geschichten an, wie Jesus auf dem Wasser wandelte, aber wenn ich einen Mann sehen würde, der das macht, würde ich schreien und schreien und schreien. Denn für mich würde es nicht wie ein Wunder aussehen. Für mich würde es wie eine Verletzung der Ordnung aussehen.
    Weil er nichts von alledem in Worte fassen konnte, wiederholte er nur: »Angst ist nicht das größte Problem. Ich möchte nur nicht in etwas verstrickt werden, das mich ins Irrenhaus bringen kann.«
    »Wirst du wenigstens mit uns kommen und mit Bill reden?«, fragte Beverly. »Und dir anhören, was er sagt?«
    »Klar«, sagte Stan und lachte plötzlich. »Vielleicht sollte ich mein Vogelalbum mitbringen.«
    Alle stimmten in sein Lachen ein, und dadurch wurde ihnen ein klein wenig leichter ums Herz.

12
     
    Beverly verabschiedete sich vor der Münzwäscherei von den anderen und ging allein nach Hause. Die Wohnung war immer noch leer. Sie legte die Putzlappen unter die Spüle in der Küche und schloss das Schränkchen. Dann schaute sie zum Badezimmer hinüber.
    Ich gehe nicht dorthin, dachte sie. Ich werde mir im Fernsehen eine Musiksendung ansehen. Bandstand vielleicht. Vielleicht kann ich dabei lernen, wie man den Dog tanzt.
    Sie ging ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein, und fünf Minuten später schaltete sie ihn wieder aus, während Dick Clark vorführte, wie viel Fett ein einziges Stri-Dex Medicated Pad vom Gesicht eines durchschnittlichen Teenagers entfernte. (»Wenn du glaubst, nur mit Seife und Wasser sauber werden zu können«, sagte Dick und hielt das schmutzige Wattepad dicht vor die Kamera, damit jeder Teenager in Amerika es genau sehen konnte, »solltest du dir dies hier einmal genau ansehen.«)
    Sie ging wieder in die Küche und öffnete den Schrank über der Spüle, wo ihr Vater seine Werkzeuge aufbewahrte. Darunter befand sich auch ein Taschen-Messband, so ein aufrollbares Ding, dessen schmale gelbe Stahlzunge in Zentimeter eingeteilt war. Sie nahm es in ihre kalte Hand und ging ins Bad.
    Das Bad strahlte vor Sauberkeit und war sehr still. Irgendwo hörte sie Mrs. Doyon rufen, Jim – ihr Sohn – solle ins Haus kommen, sofort.
    Bev ging zum Waschbecken und sah hinab in den dunklen Abfluss.
    Einige Zeit stand sie so da; ihre Beine in den Jeans waren kalt wie Marmor, ihre Brustwarzen ganz hart, ihre Lippen völlig trocken. Sie wartete auf die Stimmen.
    Es waren keine zu hören.
    Sie stieß einen leisen, zittrigen Seufzer aus und begann das dünne Stahlband in den Ablauf zu schieben. Es glitt mühelos hinab, wie ein Schwert in die Kehle eines Jahrmarktartisten. Fünfzehn Zentimeter, zwanzig Zentimeter, fünfundzwanzig … und dann stockte das Messband im Knick des Siphons unter dem Waschbecken. Sie bewegte es vorsichtig hin und her, und schließlich ließ es sich weiterschieben: vierzig Zentimeter, sechzig Zentimeter, einen Meter.
    Sie beobachtete, wie das gelbe Band aus dem Stahlgehäuse glitt, das von der großen Hand ihres Vaters abgegriffen war. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie das Messband durch das schwarze Loch des Rohres fuhr, schmutzig wurde und Rostschichten zerkratzte. Dort unten, wo nie die Sonne scheint, dachte sie. Dort unten, wo die Nacht nie endet.
    Sie stellte sich vor, wie die Spitze des Messbands mit der kleinen Stahlspitze immer tiefer in die Dunkelheit hinabglitt, und sie vernahm eine innere Stimme, die ihr zurief: Was tust du da? Sie ignorierte diese Stimme nicht … aber sie war nicht imstande, auf sie zu hören. Sie stellte sich vor, wie die Spitze jetzt in den Keller hinabwanderte, wie sie das Abwasserrohr erreichte … und in diesem Moment stockte das Messband zum zweiten Mal.
    Sie bewegte es wieder vorsichtig hin und her, und der biegsame dünne Stahl gab ein schwaches unheimliches Geräusch von sich, das ein bisschen wie eine singende Säge klang.
    Sie sah direkt vor sich, wie der Kopf des Messbandes gegen den Boden dieses größeren Rohres stieß, dessen Oberfläche jetzt aus Keramik sein müsste, wie es sich durchbog … und dann konnte sie es weiterschieben.
    Zwei Meter. Zwei Meter fünfzig. Drei …
    Und plötzlich spulte sich das Band von allein ab, als zöge jemand unten daran. Nein, es war auch kein einfaches

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