Es: Roman
zweihundert Dollar wäre er zufrieden.‹
Worauf Butch dem Sheriff erklärt hat, wohin er sich seine zweihundert Dollar stecken könne. Und darauf hat Sullivan zu ihm gesagt: ›Drüben im Shawshank gibt’s eine Kalkgrube, und es heißt, wenn man zwei Jahre dort verbringt, hat man eine grüne Zunge. Du hast die Wahl: Zwei Jahre oder zweihundert Dollar. Was ist dir lieber?‹
›Kein Geschworenengericht in Maine wird mich verurteilen‹, prahlte Butch, ›nur weil ich die Hühner eines Niggers vergiftet habe.‹
›Das weiß ich‹, sagte Sullivan.
›Und was soll dann das ganze Gefasel?‹, fragte Butch ihn.
›Wach auf, Butch. Sie werden dich nicht wegen der Hühner verurteilen, sondern wegen des Hakenkreuzes, das du nach der Tat an die Schuppenwand geschmiert hast.‹
Na ja, Dewey sagte, dass Butch daraufhin glatt der Unterkiefer runterklappte. Sullivan ging und ließ ihm Zeit, darüber nachzudenken. Drei Tage später beauftragte Butch seinen Bruder – den, der etwa drei Jahre später erfroren ist, als er betrunken auf der Jagd war – damit, seinen neuen Mercury zu verkaufen, den er sich von der Abfindung angeschafft hatte, die er bei der Abmusterung vom Militär erhalten hatte. Ich bekam meine zweihundert Dollar, aber Butch schwor, er werde mich ausräuchern. Das posaunte er bei all seinen Freunden herum. Deshalb schnappte ich ihn mir eines Nachmittags. Er hatte sich nach dem Verkauf des Mercury einen alten Vorkriegs-Ford zugelegt, und ich war mit meinem Lieferwagen unterwegs. Draußen auf der Witcham Road, in der Nähe des Bahnhofsgeländes, schnitt ich ihm den Weg ab und stieg mit meiner Winchester aus.
›Wenn du bei mir irgendwo Feuer legst, knall ich dich ab!‹, erklärte ich ihm.
›In diesem Ton kannst du nicht mit mir reden, Nigger‹, sagte er, und heulte fast vor Wut und Furcht. ›So kannst du nicht mit einem Weißen reden, du verdammter Niggerbastard!‹
Nun, ich hatte die Schnauze gestrichen voll, Mikey. Ich wusste, dass ich niemals meine Ruhe vor ihm haben würde, wenn ich ihm jetzt nicht gehörig Angst einjagte. Kein Mensch war in der Nähe. Ich griff in den Ford und packte ihn mit einer Hand bei den Haaren, stützte meinen Flintenschaft auf meine Gürtelschnalle und hielt ihm die Mündung direkt unters Kinn. ›Wenn du mich noch ein einziges Mal Nigger oder Niggerbastard nennst, wird dir das Gehirn aus deinem Schädel rausspritzen‹, sagte ich. ›Und ich geb dir mein Wort, Butch: Die geringste Brandstiftung auf meinem Grund und Boden, und ich knall dich ab. Und eventuell auch noch dein Balg, deine Frau und deinen Taugenichts von Bruder. Ich hab jetzt endgültig genug.‹
Daraufhin heulte er tatsächlich, und ich habe nie im Leben etwas Abstoßenderes gesehen. ›Soweit ist es hier also schon gekommen‹, plärrte er. ›Ein Nig… ein Mann kann am helllichten Tag am Straßenrand einen arbeitenden Menschen mit einer Flinte bedrohen … schöne Zustände sind das!‹
›Die Welt muss wirklich zum Teufel gehen, wenn so was möglich ist‹, stimmte ich ihm zu. ›Aber das spielt jetzt keine Rolle. Ich möchte nur eines wissen: Haben wir uns verstanden, oder möchtest du ausprobieren, ob es möglich ist, durch die Stirn zu atmen?‹
Er war der Ansicht, wir hätten uns verstanden, und seitdem hatte ich keinerlei Ärger mehr mit Butch Bowers – vielleicht abgesehen von der Vergiftung deines Hundes Mr. Chips. Aber ich habe keinen Beweis dafür, dass Bowers dabei seine Hand im Spiel gehabt hat. Chippy könnte auch einfach einen Giftköder oder so was Ähnliches gefressen haben.
Ja, seit jenem Tag hatten wir so ziemlich unsere Ruhe und konnten unserer Wege gehen, und wenn ich heute zurückblicke, gibt es nicht viel, was ich bereue. Wir hatten hier ein gutes Leben, und wenn es auch Nächte gibt, in denen ich von jenem Feuer träume – niemand lebt wohl sein Leben, ohne ein paar Albträume zu haben.«
28. Februar 1985
Es ist nun schon wieder Tage her, dass ich mich hinsetzte, um die Geschichte vom Feuer im Black Spot aufzuschreiben, so wie ich sie von meinem Vater gehört habe, aber ich bin immer noch nicht dazu gekommen. Ich glaube, es ist in Der Herr der Ringe, wo jemand sagt, dass »ein Weg zum anderen führt« und dass man, sobald man erst einmal den Weg von der eigenen Vordertreppe zum Gehsteig hinter sich gebracht hat, überallhin gehen könne. Mit Geschichten verhält es sich ebenso. Eine führt zur anderen, und diese wieder zur nächsten, und vielleicht gehen sie in die
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