Es: Roman
die Tür zufallen könnte und sie dann ersticken würden. Patrick hatte lange vor dem Kühlschrank gestanden und Taschenbillard gespielt. Ihn hatte wieder jene Erregung befallen, so stark, wie er sie seit Averys Beseitigung nicht mehr verspürt hatte. Denn in den kalten, aber aufgewühlten Untiefen seines Gehirns hatte er plötzlich eine Idee gehabt.
Eine Woche später vermissten die Luces, die drei Häuser von den Hockstetters entfernt wohnten, ihren Kater Bobby. Die Kinder der Luces, die praktisch mit Bobby aufgewachsen waren, suchten stundenlang in der ganzen Nachbarschaft nach ihm und gaben sogar in den Derry News von ihrem Taschengeld eine Suchanzeige auf. Es kam nichts dabei heraus. Und selbst wenn eines der Kinder Patrick an jenem Tag mit einem großen Pappkarton unter dem Arm gesehen hätte, so hätten sie darin keinen Zusammenhang mit dem Verschwinden ihres Katers vermutet.
Die Engstroms, deren Hinterhof an den von Hockstetters stieß, vermissten zehn Tage vor Thanksgiving ihren Cockerspanielwelpen. In den nächsten sechs bis acht Monaten verschwanden auch noch bei zahlreichen anderen Familien in der näheren Umgebung Hunde und Katzen, und natürlich hatte Patrick sie alle gefangen und dazu noch fast ein Dutzend aus dem Stadtviertel Hell’s Half-Acre.
Er schloss die Tiere jeweils in den rostigen alten Kühlschrank in den Barrens ein. Jedes Mal, wenn er wieder eins bei sich hatte und sich erregt der Müllhalde näherte, befürchtete er, dass Mandy Fazio die Klinke des Kühlschranks abmontiert oder mit seinem Schmiedehammer die Scharniere abgeschlagen haben könnte. Aber Mandy rührte den alten Kühlschrank nie an. Vielleicht bemerkte er ihn einfach nicht, vielleicht hielt Patrick ihn durch seine Willenskraft fern … oder es war eine andere Macht mit im Spiel.
Der Cockerspaniel der Engstroms hielt am längsten durch. Trotz der grimmigen Kälte (kurz nach der Überschwemmung war es in jenem Herbst bitterkalt geworden) lebte er auch am dritten Tag noch, obwohl von seiner ursprünglichen Lebhaftigkeit nichts mehr übrig war (als Patrick ihn aus dem Karton geholt und in den Kühlschrank gesteckt hatte, hatte er mit dem Schwanz gewedelt und dem Jungen die Hände geleckt). Als Patrick am ersten Tag, nachdem er den Hund eingesperrt hatte, die Kühlschranktür etwas geöffnet hatte, war ihm der Spaniel entwischt, und er hatte ihn erst kurz vor der Müllhalde an einem Hinterbein packen können. Der Hund hatte mit seinen scharfen Zähnen nach ihm geschnappt, aber Patrick hatte ihn trotzdem zum Kühlschrank getragen und wieder eingeschlossen. Dabei hatte er – was ihm bei solchen Gelegenheiten häufig passierte – einen Steifen bekommen.
Am nächsten Tag hatte der Spaniel wieder versucht zu entkommen, aber seine Bewegungen waren schon zu langsam gewesen. Patrick hatte die Kühlschranktür vor seiner Nase zugeschlagen und sich dagegengelehnt. Der Hund hatte an der Tür gekratzt und gewinselt. Mit geschlossenen Augen, vor Erregung schnaufend, hatte Patrick gemurmelt: »Braver Hund. Braver Hund.« Am dritten Tag hatte der Spaniel, als Patrick die Tür öffnete, nur noch mit den Augen gerollt und ganz flach geatmet. Und am vierten Tag war er tot dagelegen, mit gefrorenem Schaum vor dem Maul. Der Anblick hatte Patrick an Kokosnussflocken erinnert, und er hatte laut gelacht, während er den gefrorenen Kadaver in die Büsche warf.
In diesem Sommer war seine Ausbeute an Opfern (die Patrick als seine »Versuchsobjekte« betrachtete, wenn er überhaupt an sie dachte) ziemlich mager gewesen. Sein Selbsterhaltungstrieb war gut entwickelt, und er hatte eine ausgezeichnete Intuition. Er spürte, dass er verdächtigt wurde, obgleich er sich nicht sicher war, von wem. Von Mr. Engstrom? Vielleicht. Mr. Engstrom hatte sich eines Frühlingstages im Supermarkt nach ihm umgedreht und ihm einen langen, forschenden Blick zugeworfen. Oder von Mrs. Josephs, die manchmal mit einem Fernglas an ihrem Wohnzimmerfenster saß und von Mrs. Hockstetter als »Klatschbase« bezeichnet wurde? Oder von Mr. Jacubois, der einen Aufkleber der nationalen Tierschutzorganisation ASPCA an der hinteren Stoßstange seines Wagens hatte? Oder von Mr. Nell? Oder von jemand anderem? Patrick war sich nicht sicher, aber er wusste intuitiv, dass er verdächtigt wurde, und er vertraute dieser Intuition. Er hatte ein paar streunende, mager oder krank aussehende Tiere aus der armseligen Siedlung Hell’s Half-Acre mitgenommen, aber das war auch schon alles
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