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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fünf Zentimeter von seinem eigenen entfernt; er zog keuchend die Luft ein und wünschte gleich darauf, er hätte es nicht getan. Ein Geruch von Moder und Verwesung ging von Belch aus; es erinnerte ihn wieder an verfaulte Tomaten in irgendeiner dunklen Scheunenecke, und sein Magen rebellierte.
    Plötzlich fiel ihm das Ende ein – jedenfalls das Ende von Belch und Vic. Wie etwas aus der Dunkelheit gekommen war, als sie in einem Schacht mit einem Kanaldeckel oben gestanden und sich gefragt hatten, was sie als Nächstes unternehmen sollten. Etwas … was, hatte Henry nicht sagen können. Bis Victor gekreischt hatte: »Frankenstein! Es ist Frankenstein!« Und so war es, es war das Frankenstein-Monster mit Schrauben im Hals und einer groben Naht auf der Stirn, das auf Schuhen wie Kindersärge dahergeschlurft kam.
    »Frankenstein!«, hatte Vic gekreischt. »Fr…« Und dann war Vics Kopf nicht mehr da gewesen. Vics Kopf war durch den Schacht geflogen und mit einem ekligen Platscher an die gegenüberliegende Wand geknallt. Die wässrigen gelben Augen des Monsters hatten Henry angesehen, und Henry war erstarrt. Seine Blase hatte versagt, er hatte gespürt, wie ihm warme Nässe die Beine hinunterlief.
    Die Kreatur war auf ihn zu geschlurft, und Belch … Belch hatte …
    »Hör zu, ich weiß, dass ich weggelaufen bin«, sagte Henry. »Das hätte ich nicht machen sollen. Aber … Aber …«
    Belch starrte nur geradeaus.
    »Ich habe mich verirrt«, flüsterte er, wie um dem ollen Belch zu sagen, dass auch er gebüßt hatte. Er hörte sich jämmerlich an, als würde er sagen: Ja, ich weiß, du bist umgebracht worden, Belch, aber ich habe mir ein Mordsding von Splitter unter dem Daumennagel geholt. Aber es war schlimm gewesen … echt schlimm. Er war stundenlang in einer Welt stinkender Dunkelheit umhergeirrt, und er wusste noch, irgendwann hatte er zu schreien begonnen. Einmal war er gestürzt – ein langer, schwindelerregender Sturz, bei dem er gedacht hatte: O Gott, in einer Minute bin ich tot, habe ich es überstanden -, und dann war er in reißendem Wasser gelandet, unter dem Kanal, vermutete er. Er war in sterbendes Sonnenlicht herausgespült worden, zum Ufer geschwommen und schließlich keine fünfzig Meter von der Stelle ans Ufer des Kenduskeags gekrochen, wo sechsundzwanzig Jahre später Adrian Mellon ertrinken sollte. Er rutschte aus, fiel, stieß sich den Kopf an, verlor das Bewusstsein. Als er aufgewacht war, war es schon dunkel gewesen. Irgendwie war er zur Route 2 gelangt und per Anhalter nach Hause gefahren, wo die Bullen schon auf ihn gewartet hatten.
    Aber das war damals, und jetzt war heute. Belch hatte sich vor das Frankenstein-Monster gestellt, und es hatte ihm die linke Gesichtshälfte bis auf den Schädel abgeschält, so viel hatte Henry noch mitbekommen, ehe er geflohen war. Aber jetzt war Belch wieder da, und Belch deutete auf etwas.
    Henry sah, dass sie vor dem Derry Town House angekommen waren, und plötzlich wurde ihm alles klar. Das Town House war das einzige bessere Hotel, das es in Derry noch gab. Früher, im Jahre 1958, hatte es noch das Eastern Star am Ende der Exchange Street und Travellers’ Rest auf der Torrault Street gegeben. Beide waren im Rahmen der Stadtsanierung abgerissen worden (Henry wusste über all diese Dinge genauestens Bescheid; er hatte in Juniper Hill tagtäglich gewissenhaft die Derry News gelesen). Jetzt war nur noch das Town House übrig – und die zahlreichen neuen Billig-Motels, die seit 1958 gebaut worden waren.
    Hier werden sie abgestiegen sein, dachte er. Alle, die übrig sind. Sie werden jetzt in ihren Betten liegen und süße Träume haben – oder auch Albträume. Und ich werde sie erledigen, einen nach dem anderen werde ich sie umlegen.
    Er holte die Flasche Texas Driver wieder heraus und trank noch einen ordentlichen Schluck Schnaps. Er fühlte frisches Blut auf seinem Schoß, und der Sitz unter und neben ihm war feucht und klebrig, aber der Alkohol half dagegen; der Alkohol sorgte dafür, dass es nichts auszumachen schien. Liebend gern hätte er jetzt einen guten Bourbon getrunken, aber der Texas Driver war besser als nichts.
    »Hör mal«, sagte er zu Belch. »Es tut mir leid, dass ich weggerannt bin. Ich weiß auch nicht, warum ich weggerannt bin. Bitte … sei mir nicht böse.«
    Belch sprach zum ersten und einzigen Mal, aber nicht mit seiner Stimme. Die Stimme, die aus Belchs verwestem Mund drang, war tief und geschlechtslos, kraftvoll, furchterregend. Henry

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