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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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den langsam dahinziehenden Nebelschwaden, und Bill dachte: Vermutlich ist es das, was wir meinen, wenn wir von der Beständigkeit der Erinnerung sprechen, das oder etwas wie das hier, etwas, was man zur richtigen Zeit aus der richtigen Perspektive sieht, ein Bild, das die Gefühle wie ein Düsentriebwerk in Gang setzt. Man sieht es so klar, dass alles, was in der Zwischenzeit geschehen ist, einfach verschwindet. Wenn Verlangen das ist, was den Kreis zwischen Wirklichkeit und Wollen schließt, dann hat sich der Kreis jetzt geschlossen.
    »K-K-Kommt«, sagte er und kletterte über das Geländer. Sie folgten ihm die Böschung hinab und brachten Schutt und Kieselsteine ins Rollen. Als sie unten angelangt waren, sah sich Bill automatisch nach Silver um und musste über sich selbst lachen. Silver lehnte an der Wand von Mikes Garage. Anscheinend war Silver bei alldem keine Rolle zugedacht, obwohl das merkwürdig war, wenn man bedachte, auf welche Weise sein altes Fahrrad wieder aufgetaucht war.
    »B-B-Bring uns dorthin«, sagte Bill zu Ben.
    Ben sah ihn an, und Bill konnte in seinen Augen lesen, was er dachte – es ist siebenundzwanzig Jahre her, Bill, träum weiter -, dann nickte er und ging ins Gebüsch.
    Der Pfad – ihr Pfad – war natürlich längst zugewachsen, und sie mussten sich mühsam einen Weg durch dichtes Dornengestrüpp, Büsche und wilde Hortensien bahnen, die so stark dufteten, dass die Luft von dem Geruch widerlich übersättigt war. Grillen zirpten schläfrig, und einige Glühwürmchen, frühe Vorboten für die üppige Sommerparty, flimmerten im Dunkel. Bill vermutete, dass hier unten immer noch Kinder spielten, aber sie hatten sich bestimmt ihre eigenen Geheimpfade geschaffen.
    Sie kamen zu der Lichtung, wo ihr Klubhaus gewesen war, nur gab es diese Lichtung jetzt nicht mehr – die Büsche und verkümmerten Fichten hatten sie erobert.
    »Seht doch«, flüsterte Ben und überquerte die Lichtung (in ihrer Erinnerung war sie noch da, einfach von einer weiteren Kulisse überlagert). Er zerrte an etwas. Es war die Mahagonitür, die sie am Rande der Müllhalde gefunden und mit der sie das Dach ihres Klubhauses vervollständigt hatten. Sie war hierher geworfen worden und sah aus, als hätte sie seit Jahrzehnten keiner mehr angerührt. Schlingpflanzen hatten sich fest um die schmutzige Oberfläche gewunden.
    »Lass sie liegen, Haystack«, murmelte Richie. »Sie ist alt.«
    »B-B-Bring uns hi-hi-hin, B-Ben«, wiederholte Bill hinter ihnen.
    Sie folgten Ben in Richtung Kenduskeag, links vorbei an der Lichtung, die nicht mehr existierte. Das Plätschern des Wassers wurde immer lauter, aber sie stürzten einmal mehr fast in den Fluss, ehe sie ihn sahen; das Gebüsch auf der Uferböschung bildete jetzt eine hohe, dichte Barriere. Der Rand brach unter den Absätzen von Bens Cowboystiefeln und Bill zog ihn am Kragen zurück.
    »Danke«, sagte Ben.
    » De nada. In a-a-alten Z-Zeiten hättest d-du mich einfach mitgezogen. Da l-lang?«
    Ben nickte und führte sie am überwucherten Ufer entlang. Während er sich mühsam durch das Dickicht von Zweigen und Dornen kämpfte, dachte er, um wie viel einfacher so etwas war, wenn man nur eins fünfunddreißig groß war und sich nur ein bisschen zu bücken brauchte, um leicht unter irgendwelchen Hindernissen durchkriechen zu können (unter denen im Geist wie auch unter den echten, dachte er). Nun, alles veränderte sich. Unsere heutige Lektion, Jungs und Mädels, ist: Je mehr sich die Dinge verändern, desto mehr verändern sie sich. Wer gesagt hat, je mehr sich die Dinge verändern, desto mehr bleiben sie gleich, litt offensichtlich an geistiger Zurückgebliebenheit. Weil …
    Sein Fuß verhakte sich und er stolperte über etwas, fiel der Länge nach hin und hätte sich um ein Haar den Kopf am Betonzylinder der Pumpstation angeschlagen, der hinter den dichten, hohen Brombeerbüschen kaum noch zu sehen war. Als er wieder aufstand, stellte er fest, dass die Dornen ihm an zwei Dutzend Stellen Gesicht, Arme und Hände zerkratzt hatten.
    »Mach drei Dutzend draus«, sagte er und spürte, wie ihm dünn das Blut am Gesicht herabfloss.
    »Was?«, fragte Eddie.
    »Nichts.« Er bückte sich, um zu sehen, worüber er gestolpert war. Wahrscheinlich eine Wurzel.
    Aber es war keine Wurzel. Es war der Kanaldeckel aus Gusseisen. Jemand hatte ihn weggeschoben.
    Logisch, dachte Ben. Wir. Vor siebenundzwanzig Jahren.
    Aber ihm wurde klar, dass das lächerlich war, noch ehe er frisches Metall in

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