Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
ist. Erstaunen ist eine zu schwache Beschreibung für das, was ich empfand. Ich starrte Annabel über den Tisch hinweg an, Mund und Augen aufgerissen. Meine wunderschöne, törichte Freundin, das Abbild der Arglosigkeit, erzählte mir, dass sie es geschafft hatte, vom Bruder ihres Ex-Lovers schwanger zu werden.
»Okay«, sagte ich. »Erzähl es mir der Reihe nach. Ich brauche noch was zu trinken. Trinkst du jetzt ein Glas Wein mit?«
»Nein, danke. Ich möchte lieber eine Tasse Tee.«
Ich betrachtete sie genauer, plötzlich fasziniert von dem Gedanken, dass neues Leben in ihr wuchs. »Brauchst du etwas zu essen?« Ich erinnerte mich dunkel an das Frühstadium von Claudettes Schwangerschaft, als sie sich über ständige Übelkeit beklagte, während sie Unmengen Salzmandeln vertilgte.
Annabel wischte sich erneut über die Augen. »Ich hätte nichts gegen einen Teller Suppe. Und etwas Brot. Und vielleicht einen kleinen Thunfischsalat. Und etwas Käse. Tut mir Leid, aber ich habe ständig Heißhunger.«
Ich rief einen Kellner und bestellte Essen und Tee. Ich brannte regelrecht vor Neugier, wollte sie aber erst ausquetschen, wenn ihr Tee gekommen war, falls sie ohnmächtig würde oder so. Taten Leute das nicht, wenn sie schwanger waren?
Annabel war ernst. »Cassie, mein Leben ist eine Katastrophe.«
»O nein …«
»Komm schon. Ich bin arbeitslos, ich habe mich in den falschen Bruder verliebt, und ich bin schwanger. Wie viel katastrophaler kann es noch werden?«
Der Kellner brachte uns eine Kanne Tee. Annabel trank durstig. Das Essen kam, und sie stopfte Brot, Suppe und Salat in sich hinein, als hätte sie einen Monat nichts mehr gegessen. Ich merkte, dass sie allmählich weniger schrecklich aussah. Ihr blasses, angeschwollenes Gesicht bekam wieder ein wenig Farbe.
Sie sagte: »Es war der Abend, nachdem Fritz mit mir Schluss gemacht hatte. Der Abend, als Ben hereinkam und mich beim Packen vorfand.«
»Davon hat er mir erzählt.«
»Ich fühlte mich – es war so entsetzlich, dass ich mich wie betäubt fühlte. Ich wollte immerzu weinen, aber ich konnte nicht. Ich saß zwei Tage lang mehr oder weniger einfach auf meinem Sofa und starrte die Wand an. Ich konnte nichts essen. Ich lebte von Kamillentee. Das Telefon klingelte dauernd.«
»Ich habe versucht, dich anzurufen«, sagte ich.
»Ich weiß, und es tut mir Leid, dass ich nicht rangehen konnte. Ich stand wohl unter Schock. Ich brauchte Zeit, mich -daran zu gewöhnen, ein gebrochenes Herz zu haben. Alles ist so verwirrend, Cass –, aber ich liebte Fritz so sehr, oder ich glaubte, ihn zu lieben. Ich meine, ich hatte eine gewisse Vorstellung davon, was Liebe war. Aber ich war im Irrtum, ich hatte nichts begriffen.« Sie lächelte traurig. »Ist das nicht genau das, was du mir seit Jahren gesagt hast? Wie dem auch sei – dann klingelte es. Ich wusste nicht, wer es war – ich dachte, vielleicht könntest du es sein –, aber ich wollte niemanden sehen. Und dann hörte ich jemanden klopfen und Bens Stimme durch den Briefschlitz. Er drohte, weiterhin zu rufen, bis ich die Tür öffnen würde. Also tat ich es.«
»Aber …« Diese Art Entschiedenheit sah Ben gar nicht ähnlich. »Was wollte er?«
»Er sagte, er könnte den Gedanken nicht ertragen, dass ich unglücklich sei. Er hatte mir einen Strauß Blumen mitgebracht, von einer Tankstelle. Ich fing an zu weinen, sobald ich ihn sah. Ich heulte unentwegt. Aber ich war wahnsinnig froh, ihn zu sehen. Oh, ich kann dir nicht beschreiben, wie wundervoll er war.« Ihr Gesicht wurde wieder fröhlicher, und wunderschön. »Er fand eine Flasche Wein in meinem Kühlschrank und goss mir ein Glas ein. Ich sollte mich hinsetzen, als wäre ich krank. Er setzte sich neben mich und nahm mich in die Arme. Er breitete seinen Mantel über uns beide.«
Ich sagte: »Er hat dir ein Cotton House gebaut.«
»Ja!« Sie wurde lebhaft. »Genau das hat er … du hattest keine Affäre mit ihm, oder?«
»Sei nicht albern. Wir kennen uns schon von klein auf. Also weiter – wie kam das Sperma ins Spiel?«
»Es ging zu Anfang nicht um Sex. Es ging zuerst nur um Trost. Ich fühlte mich bei ihm so warm und geborgen, und ich dachte, wie sehr ich ihn lieben gelernt hatte, während ich mit Fritz ausging – und wie sehr ich ihn vermissen würde, jetzt, wo es vorbei war. Und plötzlich küssten wir uns, und ich wollte ihn in mir spüren. Ich hätte vermutlich an Verhütung und meine letzte Periode und alles das denken sollen. Aber dazu war
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