Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
häufig gedacht hatte, dass Hampstead den Eindruck eines verschwiegenen Dorfes erweckte, in einer anderen Dimension befindlich als das übrige London. Vielleicht hegt jeder diese Gefühle für den Ort, an dem er aufgewachsen ist. Hampstead Village war sowohl beruhigend als auch geheimnisvoll. Die quadratischen, altmodischen Laternenpfähle, die an den Rändern des Heath fahl und unheimlich leuchteten, ließen mich stets vage an das Reich von Narnia denken.
Ich betrat den Spirituosenladen, um eine Flasche Wein für Phoebe zu kaufen, und dann wandten sich meine Schritte automatisch der Straße zu, in der ich einst gelebt hatte. Ich konnte an meinem alten Haus vorübergehen, ohne dass es mir einen Stich versetzte, aber ich konnte mich dem Haus der Darlings nicht nähern, ohne ein warmes, heimisches Glühen zu empfinden. Dies war noch immer der Ort, an dem meine Erfolge am meisten und mein Versagen am wenigsten zählten. Die großen, rechteckigen Fenster leuchteten in der blauen Abenddämmerung golden. Einen Moment, während ich die Stufen hinaufstieg, stellte ich mir jene Fenster dunkel vor, und meine Kehle verengte sich vor Angst.
Phoebes Knochen waren unter ihrer Kleidung deutlich hart zu fühlen. Sie trug den Rollkragenpullover aus Kaschmir in tiefem, dunklem Weihnachtsrot, den ich ihr unmittelbar vor Jimmys Tod gekauft hatte. Ihre Augen wirkten über dem weichen Kragen riesig, und ihr Gesicht schien eingesunken zu sein. Aber ihr Geruch war noch derselbe. Parfums wirkten bei Phoebe nicht. Sie besaß ihren eigenen Duft, eine Mischung aus Biskuitkuchen und Teerosen.
»Cassie – oh, wie schön. Ich habe gehofft, dass du Wein mitbringst.«
Sie wollte nicht, dass man sie fragte, wie es ihr ging. Sie wollte, dass ich wieder genau die alte Beziehung aufnahm, und das tat ich. »In Ordnung«, sagte ich, »raus mit der Sprache. Warum der dramatische Anruf?«
»Lass uns zuerst etwas essen«, sagte Phoebe. Sie war aufgeregt und recht zufrieden mit sich. Ich hörte Jimmy sagen: »Sieh sie dir an, Cass – ich kann spüren, dass sie wieder eine ihrer verrückten Ideen hat.« Er und ich neckten sie ständig wegen ihrer Ideen. Nachdem Jimmy gestorben war, blieb es mir überlassen, es ihr auszureden, wenn sie sinnlose Geschäfte oder aussichtslose Wohltätigkeitsveranstaltungen be--
ginnen wollte. Was war es dieses Mal? Es kümmerte mich nicht. Ich hatte Phoebe seit Monaten nicht mehr so lebhaft gesehen.
»Die Jungs sind ausgegangen«, sagte sie. »Was die tödliche Stille unten erklärt.«
Das Kellergeschoss war vor Jimmys Tod zu einer Wohnung für die beiden Jungs ausgebaut worden, während in Phoebes Doppelwohnzimmer an einem Ende eine neue Küche installiert wurde. Ich stellte meine Aktentasche ab und versuchte, mich nützlich zu machen. Der runde Tisch war bereits wunderschön gedeckt. Es standen eine Platte mit angerichteten Salatblättern und eine Schüssel mit roten Nektarinen darauf. Ich öffnete die Flasche Wein, die ich gekauft hatte, und goss uns beiden ein Glas ein. Phoebe nippte wie abwesend an ihrem, auf das Rühren in einem kleinen Kochtopf auf der Herdplatte konzentriert. Sie ruhte am stärksten in sich selbst, wenn sie Mahlzeiten vorbereitete, was ihr vorzüglich gelang.
»Ben ist in der Festival Hall«, erklärte sie mir über die Schulter hinweg. »Er hat irgendwie eine Karte für Alfred Brendel ergattert, der Glückspilz. Und Fritz ist nach Sheffield gefahren, um einen Freund zu besuchen – nun, du erinnerst dich doch an Toby Clifton? Er ist im Crucible-Theater bei Macbeth dabei, spielt den Donalbain.« (Ich erinnerte mich mit einem seltsamen Gefühl daran, wie lange sich Phoebe und Jimmy geweigert hatten, ihren Frederick »Fritz« zu nennen, obwohl der Spitzname schon mindestens fünfzehn Jahre festgeschrieben war.) »Ich bin froh, dass er letztendlich eine anständige Rolle bekommen hat.«
»Donalbain ist keine anständige Rolle.« Ich musste das sagen. »Es ist so ungefähr die kleinste Rolle, die man in Macbeth bekommen kann, ohne als Möbelstück eingestuft zu werden. Du musst die Leistung der Söhne anderer nicht rühmen.«
Phoebe lächelte und wirkte dadurch jäh um Jahre jünger. »Ich hätte wissen müssen, dass dich das nicht beeindruckt.«
»Es ist jedoch wahrscheinlich nicht schlecht für den Jungen. Er hat zumindest eine Arbeit, die bezahlt wird.«
»Er ist ein guter Tänzer«, sagte Phoebe, während sie die Pasta über dem Spülbecken abgoss. »Vielleicht führt das zu etwas.«
Die
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