Es sterben immer drei
vorher dort wohnte, aus Pornello stammte, einem Dorf nicht weit von hier. Der Name kommt von dem italienischen Wort für Steinpilze, porcini , aber jeder, der aus Deutschland hierherkommt, findet ihn lustig. Pornello, wie Porno, ha, ha. Passt ja, hier vögelt doch jeder mit jedem. Mir gefällt er trotzdem.«
»Aber es ist nicht das Haus hier?«
»Um Himmels willen. Das hier habe ich mir von dem Geld gekauft, das Jochen mir für meinen Anteil an Casa Pornello gezahlt hat. Er hat ihn mir abgekauft. Ich wollte ständig in Italien leben, aber nicht in einem Haus, das verschiedenen Leuten gehört, die sich dauernd streiten. Über Müllgebühren, Stromkosten, die Marke des Kühlschranks, Klinker- oder Betonboden, Terrasse oder Wiese. Unverputzt oder verputzt und wenn ja, welche Farbe? Blumen im Garten oder nur Sträucher. Kompost, ja oder nein? Jalousien oder Fensterläden. Ökologisch korrekt oder bequem. Über alles gibt es Krieg. Das ist mir zu stressig. Hier kann ich machen, was ich will. Sehr angenehm.«
»Und die Polizei hält einen von euch für den Mörder?«
Katharina stand auf. »Soviel ich weiß, ja. Aber das kannst du sie selber fragen. Da kommt sie.« Jetzt sah auch Stella durchs Fenster an der Küchenzeile einen blau-weißen Fiat mit der Aufschrift Carabinieri die Zufahrt entlangpreschen und so abrupt halten, dass der knirschende Kies bis ins Wohnzimmer zu hören war.
»Ah, wie schön, mein junger Verehrer von der Polizei«, sagte Katharina und öffnete die Tür. »Bon giorno, Maresciallo.« Sie streckte dem Polizisten in Uniform die Hand hin, die er mit einem Lächeln und einer angedeuteten Verbeugung ergriff. Seine Mütze hatte er auf dem Armaturenbrett liegen lassen. Ob aus Vergesslichkeit oder um zu signalisieren, dass er hier nicht als böser Polizist im öffentlichen Dienst auftauchte, wagte Stella nicht zu entscheiden. Katharina stellte ihn vor und bot ihm einen Kaffee an, aber er lehnte dankend ab. Er wollte Katharina nur wie verabredet in die caserma holen, nicht zu einem Verhör, nein, nur zu einem Gespräch. Er sprach deutsch, wenn auch etwas stockend, als müsste er erst in seiner Erinnerung nach den richtigen Worten kramen. Er war ungefähr in Stellas Alter, schätzte sie, Mitte dreißig, vielleicht auch schon fast vierzig und trat mit jener Schneidigkeit auf, mit der Carabinieri sogar bei simplen Verkehrskontrollen beeindrucken können. Die Uniform saß wie ein Maßanzug, und das allein war schon ein erfreulicher Anblick, auch ohne den durchtrainierten Weltklassekörper, der darin steckte. Das musste man den italienischen Polizisten lassen, sie waren vielleicht korrupt, aber das mit Stil. Ohne zu lächeln betrachtete er Stella. Katharina lieferte ihm alle Informationen, die er brauchte, um sie einschätzen zu können. Ein paar Details ließ sie unerwähnt. So erfuhr er, dass sie mit ihrer Mutter Ottos Haus oben am Weg für zwei Wochen gemietet habe. Dass sie Ferien hier mache und aus Bayern komme. Dass sie gestern Abend angekommen sei und heute Morgen auf einen Kaffee vorbeigeschaut habe, weil Katharina von Ottoals Nachbarin, Kennerin der Gegend und Auskunftsquelle über Wanderwege und dergleichen empfohlen wurde. »Passen Sie auf, dass sie sich nicht verirren«, sagte der Maresciallo fürsorglich. »In den Wäldern kann man sehr schnell verloren gehen. Wir suchen jedes Jahr verschwundene Pilzsammler.« Er hielt Katharina die Autotür auf und schloss sie sanft hinter ihr. Stella schaute ihnen nach, als sie in einer Staubwolke rückwärts die Auffahrt wieder hochfuhren und fragte sich, wieso ein Polizist mitten in der italienischen Pampa so gut Deutsch sprach. Ob er deswegen den Fall bearbeitete?
Katharina hatte es nicht für nötig gehalten, ihr Haus abzusperren, trotz der Möglichkeit, dass sich ein Mörder während ihrer Abwesenheit bei ihr einnisten könnte, schließlich musste sich einer in der Gegend herumtreiben, wenn sie schon nicht daran glaubte, dass ein Mitglied ihres Clans dafür verantwortlich war. Stella überlegte kurz, ob sie die Gelegenheit nutzen sollte, ein bisschen im Haus herumzuschnüffeln, und entschied, dass dies in der Tat eine gute Idee war. Sie wartete noch eine Weile, bis sie sicher sein konnte, dass Katharina nicht womöglich etwas vergessen hatte und wieder zurückkam. Alles blieb still. Nirgends eine Menschenseele. Nur kurz noch kämpfte ihr schlechtes Gewissen mit ihrer Neugierde. Die Neugierde siegte. Vorsichtig schloss sie die Haustür hinter sich und blieb
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