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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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sie. »Katharina Wilke. Otto hat Sie gut beschrieben.« Sie hatte einen kräftigen Händedruck.
    »Wie denn?«, fragte Stella und drückte genauso energisch zurück.
    »Scandinavian blond von Wella. Zerzaust wie ein Kakadu am Bad-Hair-Day.« Katharina wies einladend auf die offene Haustür.
    »Vielleicht sollte ich den Friseur wechseln.« Stella ging voran. Im Haus war es angenehm kühl. Es roch nach Terpentin und Farbe, den Arbeitsmitteln einer Malerin. Ein Geruch, derStellas Neid auf diese Idylle noch verstärkte. Er symbolisierte Freiheit, Mut, Selbstbestimmtheit. Die Freiheit von der Sklaverei in einem Büro, den Mut, das Leben ohne regelmäßigen Monatslohn auszuhalten, die Selbstbestimmtheit, nur den eigenen Antrieben zu folgen und nicht den Vorstellungen desjenigen, der deine Gehaltsüberweisungen unterschreibt.
    Katharinas einfaches langes Hängerkleid aus plissierter Seide in dem verblichenen Orange englischer Rosen kannte Stella aus einem Schaufenster in Venedig. Ein Entwurf des Art-déco-Künstlers Fortuny, mit genügend Bewegungsfreiheit für figurerhaltende Gartenarbeit, aber nur, solange man nicht kniend im Dreck wühlen musste. Sie hatte bewundernd davorgestanden und sich gefragt, wer heute noch die Muße, den Lebensstil und das Geld besaß, um in einem Gewand, das einer griechischen Toga ähnelte, zu lustwandeln. Katharina zwischen ihren Zypressen. Sie bewegte sich anmutig wie eine Ballerina, kein Gramm zu viel auf den Rippen, obwohl sie ungefähr Mitte 50 war und sich die Wechseljahre mit Röllchen um Bauch und Taille hätten bemerkbar machen müssen. Die Frage nach der angemessenen Frisur für eine Toga hatte Katharina genial gelöst und einfach einen rosafarbenen Schal mit hellblauem Stiefmütterchen-Muster als Turban um den Kopf gewickelt. Was den romantischen Gesamteindruck betonte und das tägliche Haarewaschen erübrigte. Sie war ungeschminkt, mit dem braunen Teint einer Pflanzenfetischistin, die ab dem Frühjahr den Großteil des Tages beim Beackern ihrer Scholle verbringt. Mit Erleichterung nahm Stella zur Kenntnis, dass diese malerische Erscheinung wenigstens von ein paar Altersflecken und Krähenfüßen heimgesucht wurde. Sie war also ein Mensch und kein Fabelwesen, etwa Fee, Elfe oder dergleichen. Nicht übel, so ein Leben. Wie finanzierte Katharina das alles? Das Haus, den Garten, das Auto, die Abgeschiedenheit? Griff da der karrieregeile Noch-Ehemann unter die Arme oder war es selbst verdient? Wobei vom Ehemann ausgehalten zu werden irgendwie auch als selbst verdient durchging.
    »Kaffee?«, fragte Katharina. »Ich habe mir gerade eine Latte gemacht, es ist noch alles da.«
    Stella nickte. »Derrida?«, fragte sie.
    »Guter Name, oder? Er stammt aus der Zucht einer Engländerin, die den ganzen Wurf nach französischen Philosophen getauft hat, weil sie sich im Studium so damit plagen musste und sie seitdem hasst.« Sie stupste Derrida liebevoll an der Schnauze.
    Katharinas Wohnzimmer war gleichzeitig ihr Atelier, entsprechend unaufgeräumt sah es aus. Aber auf die gemütliche Art.
    »Oben gibt es noch zwei Schlafzimmer. Das Erdgeschoss ist nur Atelier. Hier arbeite ich und hier wohne ich«, informierte Katharina sie ungefragt von der Ikea-Küchenzeile aus, wo sie einen Espresso in ein Glas mit aufgeschäumter Milch goss. Vor einer wandbreiten Bogentür aus Glas standen zwei abgewetzte Sofas mit Blick in den Garten. Auf dem einen hatte Derrida es sich schon auf einer Decke bequem gemacht und brauchte dafür fast die ganze Sitzfläche. Er nagte an seinem Lappen. Also setzte Stella sich auf das andere. Katharina stellte die Latte macchiato auf den mit Büchern beladenen Couchtisch und zog einen mit Farbe bespritzten, abgeschabten Ledersessel auf Rollen herbei, der vor drei Gemälden stand, die umgedreht an der Wand lehnten. »Mein Arbeitssessel«, erklärte sie. »Ich sitze manchmal tagelang vor meinen Bildern und überlege, wie es weitergeht.«
    »Waren Sie schon immer Malerin?«, fragte Stella, die irgendwie das Klischee im Kopf hatte, dass man als Frau eines reichen Mannes erst nach der Scheidung beginnt, sich künstlerisch zu betätigen. Als Mittel zur Selbstfindung, wenn alles andere nicht geholfen hat.
    »Selbstverständlich. Mit akademischer Ausbildung, Ausstellungen in der ganzen Welt und all dem Pipapo, das sonst noch dazugehört.« Katharina nahm die Frage nicht übel, vielleicht weil sie nicht ahnte, welches Vorurteil dahintersteckte.
    Stella schaute sich um. Ein riesiger Tisch,

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