Es sterben immer drei
einer Redaktion angehört hatte, die er als Verlagsleiter schikanierte. Sie war ihm zwar nur zwei-, dreimal im Aufzug begegnet, aber immerhin hatte er damals ihre Kündigung unterschrieben. Auch als Freundin seiner Freundin interessierte ihn Stella nicht einmal für ein paar Höflichkeitssekunden. Arschloch, hatte sie gedacht und sich wieder lächelnd zu Valerie umgedreht. »Du bist verheiratet?« Als Antwort hatte Valerie stolz mit der linken Hand gewedelt, an der ein beeindruckender Brillantring blitzte. »Verlobt!«
Valerie, die Geschichtenerzählerin. Valerie, die Ignorantin, die sich die Realität nach ihren eigenen Vorstellungen zurechtbog. Valerie, die Naive, die Gesten für den Ausdruck echter Gefühle hielt und einen Brillantring für Liebe. Valerie, die Sture, die dachte, sie würde alles im Leben bekommen, wenn sie nur beharrlich genug darauf bestand.
Und zwei Jahre später hatte sie, offenbar unter sträflicher Fehleinschätzung ihrer Macht, ihres Willens und der Ehefrau, als immer noch Verlobte ihr Leben verloren.
»Sie war ein spannendes Mädchen«, sagte Katharina. Stella schwieg. Bei allem Wohlwollen, wie ein Mädchen sah Valerie schon lange nicht mehr aus. Auch wenn sie sich gern so kichernd, albern und sprunghaft wie eine Zwölfjährige benahm und auch selbst so bezeichnete: »Was bin ich froh, ein Mädchen zu sein.«
»Derart viele Facetten.« Katharina plauderte weiter in die Stille hinein. »Das macht sie für eine Porträtmalerin wie michinteressant. Dass mein Mann sie fickt, so what . Früher oder später hätte er sich sowieso eine Neue besorgt. Ich habe mit allen Freundinnen meiner Männer Latte macchiato getrunken. Und sie alle überlebt.« Sie lachte selbst peinlich berührt, weil ihr erst beim Aussprechen auffiel, dass man diesen Satz auch missverstehen konnte. »Ich meine, all diese Frauen sind längst wieder weg. Keine ist bei Jochen oder Karl geblieben. Nur ich bin immer noch da. Im Moment hat Karl wieder eine Neue, 22 Jahre alt. Sie werden immer jünger. Sehr niedlich. Fast zu jung zum Porträtieren. Je mehr ein Gesicht vom Leben geprägt ist, desto interessanter wird es für mich. Dann habe ich wenigstens etwas, woran ich mich beim Malen orientieren kann. Falten, Tränensäcke, Hängebacken, Schlupflider, Warzen. All diese Abscheulichkeiten des Alters.« Sie lachte.
»Karl Kleemann?«
»Ja der. Hat dir Otto gesagt, dass er auch hier ist? Der ehemals weltberühmte Architekt.« Hatte Stella sich verhört oder schwang da etwas Spott mit in Katharinas Stimme. »Hat die Daten verwechselt, der Chaot, und taucht versehentlich zur selben Zeit wie Jochen in der Casa Pornello auf. Die beiden sind hoffnungslos zerstritten und gehen sich seit Jahren aus dem Weg. Trotz der gemeinsamen Vergangenheit, des gemeinsamen Hauses und mir, der gemeinsamen Frau. So waren wir am Sonntag zufällig alle hier in der Gegend, ausgerechnet an dem Tag, an dem der Mord passierte. Und jetzt glaubt die Polizei, einer von uns ist der Mörder.« Sie lachte wieder, und wieder klang es nicht sehr fröhlich. Eher verächtlich.
»Gemeinsame Frau?« Stella musste all die Informationen erst mal abspeichern und wiederholte einfach das erstbeste Wort, das bei ihr hängengeblieben war, wie ein Echo.
»Nun, der berühmte Herr Kleemann ist das, was Jochen noch nicht ist. Mein Ex-Mann. Ich dachte, Journalisten recherchieren so was. Otto hat es nicht für nötig gehalten, dir ein paar Basisinformationen zu geben, was? Typisch für ihn. Immer muss alleshusch, husch gehen. Immer wahnsinnig in Eile. Dass er sich seinen blöden Aktionismus einfach nicht abgewöhnen kann. Und das in seinem Alter.« Sie schüttelte missbilligend den Kopf und lehnte sich auf der Couch zurück, als wollte sie demonstrieren, dass sie hingegen die Gelassenheit selber sei.
Um sich nicht in einer Diskussion über Otto und seine journalistischen Kompetenzen zu verzetteln, konzentrierte Stella sich auf ihr Thema. »Casa Pornello? Was ist das denn?«, stellte sie sich unwissend, als hätte sie nicht den Ausdruck von Google-Maps in der Rocktasche. Ein Trick, den sie schon vor Jahren Kommissar Colombo im Fernsehen abgeschaut hatte. Er funktionierte auch für die kleine Wühlmaus eines Klatschblattes einwandfrei.
»Also wirklich. Otto ist unmöglich.« Katharina konnte Stellas Unkenntnis nicht fassen. »Casa Pornello ist das Haus, das wir drei gemeinsam mit fünf anderen Freunden vor Jahren gekauft haben. Es heißt so, weil die Familie des Bauern, die
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