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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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hört.«
    »Mailen. Kommt man hier im Haus ins Internet?«
    »Schon mal was von WLAN gehört, meine Liebe? Hab heute Morgen Eithernet-Switch und Router aktiviert. Du kannst gerne mein MacBook oder mein iPad benutzen. Oder mein iPhone, damit kommst du auch ins Internet.«
    Täuschte sie sich oder entfaltete Luis bei diesem Thema einen besserwisserischen Ton. Männlicher Stolz auf Computerkenntnisse nervte.
    Er selbst fand sein Verhalten offenbar absolut in Ordnung. Unbeeindruckt von aufkeimenden atmosphärischen Verstimmungen breitete er sein Wissen aus. »Da der Mörder Valerie beim Joggen auflauerte, hat er sie mitten in der Bewegung abgeknallt. So, wie ein Jäger ein Reh schießt.«
    »Sport ist Mord.« Irma schaffte es nicht länger zu schweigen und mischte sich ein, während sie mit einem Hammer eine Walnuss zertrümmerte, aber vorsichtig, damit die Innereien nicht zu sehr zerkrümelten.
    »Mutter«, rutschte Stella raus, aber das beeindruckte Irma nicht im Geringsten. Sie war in Gedanken ganz woanders.
    »Dein Vater war ein sehr guter Schütze. Schon den Tieren zuliebe. Du weißt ja, dass er gerne auf die Jagd ging. Das Wichtigste beim Schießen ist ruhig zu bleiben, sagte er immer. Sicher stehen, die Atmung kontrollieren, das Ziel fixieren und abdrücken.«
    »Die Atmung kontrollieren?«
    »Ausatmen und dann erst abdrücken, das wackelt weniger«, schaltete sich der zweite Besserwisser ein, als gehörten Abknallkenntnisse zum Allgemeinwissen jedes Mitteleuropäers, egal ob Mann oder Frau.
    Irma nickte. »Ich bin immer gerne auf die Pirsch gegangen, aber schießen wollte ich nie. Im Morgengrauen auf einem Hochsitz mit einem guten Fernglas Tiere beobachten, dazu Glühwein in der Thermoskanne, das war mein Ding.« Sie zuckerte die Orangen, träufelte etwas Orangenlikör aus Ottos Beständen darüber und vermischte das Ganze. Die Walnüsse kamen erst zum Schluss dazu. »Du hast mich immer sehr gerne begleitet«, erinnerte sie ihre Tochter.
    »Ich musste mit«, korrigierte Stella sie unbarmherzig, wie immer, wenn ihre Mutter in der Rückschau die Dinge verklärte, um nicht nach Jahrzehnten vielleicht doch noch eines Fehlverhaltens bei der Erziehung ihrer Tochter überführt zu werden. Stella fühlte dann reflexartig das Bedürfnis, die Wahrheit klarzustellen. »Es war immer saukalt und mir froren die Füße ein. Du hast dich mit Glühwein besoffen, aber ich durfte mich nicht bewegen, keinen Mucks von mir geben und vor allen Dingen nie Pipi machen, wenn ich musste. Manchmal habe ich geweint, weil mir die Zehen so wehtaten, aber das war dir egal.«
    Irma seufzte.
    »Und dein Vater?«, fragte Luis.
    »Keine Ahnung, er war jedenfalls nie dabei.«
    Irma seufzte noch mal.
    »Wo war er?«, fragte Stella ihre Mutter.
    »Geschäftlich unterwegs.«
    Jetzt kam das Gespräch in einen Bereich, den auch Stella nicht ausloten wollte. Mit »Geschäftsreisen« umschrieb Irma diverse Arten von Eheproblemen. Stella stocherte nicht weiter. »Erinnerst du dich an Papas Gewehrschrank?«, fragte sie versöhnlich. »Er war immer verschlossen, aber wir wussten alle, wo er die Schlüssel versteckte.« Ihr Vater war stolz auf seine Gewehre und pflegte sie liebevoll. Putzen und mit Öl einreiben gehörte zu seinen sonntäglichen Ritualen. Stella mochte den Geruch des Ballistol-Öls so sehr, dass sie mangels Schusswaffen ihr Fahrrad immer noch damit sauber hielt. Es roch altmodisch nach Arbeit, Maschinen, Männern und schmierigen Lappen, an denen sie sich die Hände abwischten. Das gefiel ihr. Heutzutage dufteten Männer nur noch nach exotischem Gebräu aus Designerflakons und machten den Frauen Konkurrenz.
    »Den Gestank von diesem Ballistol habe ich immer noch in der Nase«, sagte Irma und schüttelte angeekelt den Kopf.
    »Hast du je ein Gewehr in den Händen gehalten?«, fragte Luis.
    Stella nickte. »Natürlich. Ich habe damit gespielt, wenn niemand da war. Ich wusste, dass Papa den Schlüssel einfach in der obersten Schreibtischschublade versteckt hatte. Die Munition lag offen in einem Wandschränkchen daneben. Nie abgeschlossen. Verschiedene Kaliber, aber auch Schrotkugeln. Die Patronen eingerollt in Papier, in Schachteln verpackt. Ich wusste nicht, welche Munition in welches Gewehr passt, also habe ich es nie geschafft zu schießen. Aber angelegt, vom Fenster aus, auf die Nachbarn, die vorübergingen. Gezielt und abgedrückt. Es war ganz leicht.«
    »Gezielt und abgedrückt?« Irma klang noch fünfundzwanzig Jahre später

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