Es sterben immer drei
gleichen Ehemann, den sie schon bis zum Überdruss kannten. Luca kaufte in einer nach Vanille und Zimt duftenden Pasticceria winzige Eclairs, Cremeschnitten, Schokoladentörtchen und Profiteroles bei einer mürrischen Schönheit von Verkäuferin, auf die er so lange einredete, bis sie lächeln musste. Als sie ihm die in einen hübschen rosa Karton verpackten Kuchen über den Tresen reichte, warf er ihr zum Abschied eine Kusshand hin, was sie mit einem Ciao, Luca quittierte. »Wer soll das alles essen?«, fragte Stella. Er antwortete nur: »Wir«, und sie hoffte, dass er sie wieder an der Hand nehmen würde. Was er nach ein paar Metern auch tat. An der anderen baumelte das Kuchenpaket. Wenn hier eine Verführung in Gang war, dann ging sie eindeutig von ihm aus und nicht von ihr. Alles was sie tun musste, war, ihn nicht zu entmutigen. Das konnte schnell passieren. Ihr Hang zur Selbstironie machte auch vor Komplimenten nicht Halt. Einen Mann, der sich gerade dazu durchgerungen hat, seine lyrisch verpackte Wertschätzung in ein weibliches Ohr zu flüstern, mit einem Satz wie »Lass das Schleimen« zurückzuweisen, durfte eine Frau sich nur erlauben, wenn sie tatsächlich nicht das geringste Interesse an ihm hatte. Eigentlich selbst dann nicht. Einen Mann derart vor den Kopf zu stoßen war höchstens bei einem Triebtäter erlaubt, der einem gleichzeitig ein Messer an den Hals hielt. Wahrscheinlich wäre das dann aber, nahm Stella an, einer der seltenen Fälle, in denen sogar ihre Widerborstigkeit versagen würde. Im Normalfall war es einfach streng verboten, auf das Kompliment eines Mannes mit Spott zu reagieren. Schon allein, um den Ärmsten nicht so sehr zu traumatisieren, dass er es nie mehr wagen würde, Frauen mit Komplimenten zu erfreuen. Luca machte Gott sei Dank nicht den Eindruck, als ob er sich von einer deutschen Gewohnheitsprotestantin verschrecken lassen würde.
Als sie vor einem schmalen Haus in einer der engen Gassen standen und er die Tür aufschloss, verstärkte sich das angenehme Kribbeln, das Stella den ganzen Spaziergang über gefühlt hatte, zu zitteriger Nervosität. In seiner Wohnung herrschte das übliche Junggesellentohuwabohu, über das hinwegzusehen sie in ihrem Leben als Singlefrau gelernt hatte, weil sie sonst nie mit einem Mann Sex gehabt hätte. Männer kamen in zwei Kategorien vor, als Chaoten oder Pedanten. Bei den einen lagen schmutzige Socken neben dem Bett, um die Türklinke wickelten sich Unterhosen, im Wohnzimmer sorgten halbleere Wasser- und Bierflaschen, Chipstüten, benutzte Teetassen und dieStaubmäuse eines halben Jahrzehnts für eine behagliche Note. Im Klo verriet der Urinstein, dass der Bewohner sich auch dort regelmäßig vorm Putzen drückte. Poster und Zeitschriftenfotos waren mit Reißnägeln an die Wand gepinnt, im Flur lehnte eine elektrische Gitarre und ließ auf ein kulturell interessiertes Innenleben schließen. Stella gefielen solche Wohnungen trotz allem besser als die der Pedanten, die Bilder aus ihrer Maltherapie in Goldrahmen an die Wand hängten, die Zeitschriften auf dem Couchtisch fächerförmig auslegten und die Bettwäsche mangeln ließen. Männer dieser Sorte rasierten sich die Brusthaare, werkelten in einer tipptopp ausgestatteten Designerküche und brachten Stella mit dem demonstrativen Anspruch auf Perfektion in Verlegenheit. Sie fühlte sich davon überfordert. Die Chaoten stellten in der Regel weniger Ansprüche an eine Frau. Tolerant erwarteten sie als einzige weibliche Gegenleistung ebenfalls Toleranz. Nichts leichter als das.
Luca hatte das Bett frisch bezogen, mit ungebügelten Laken, offensichtlich in Erwartung gewisser Dinge, die unweigerlich kommen würden. Auch sonst hatte er so weit durchgeputzt, dass der gute Wille erkennbar war. Die aufgeräumte Wohnung eines Chaoten. Er zeigte ihr die drei Zimmer im vierten Stock des Altbaus, wo vom Innenhof italienische Alltagsgeräusche nach oben drangen. Mütter, die nach ihren Kindern riefen, deren helle Antworten darauf, das Quäken von Fernsehern, eine Bohrmaschine, alles gab einem das Gefühl, inmitten einer großen Familie zu leben. Inklusive Opernarien. »La Traviata«, sagte Luca, der Verdi auswendig kannte. Er wollte die Fenster schließen, aber Stella hielt ihn davon ab, ihr gefiel die Geräuschkulisse.
Kaffee und Kuchen wurden auf einem wackeligen Campingtisch auf der Terrasse serviert. Eigentlich eher ein Stück Flachdach, mit Teerpappe ausgelegt. Der Aufstieg begann am Küchenfenster,
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