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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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danach ging es ein Stück die Feuerleiter hinauf. Alles illegal, die örtliche Baubehörde genehmigte aus Denkmalschutzgründen nur wenige Terrassen, deshalb gab es auch keinGeländer zur Absicherung nach unten und keinen Aufgang, der mit Würde genommen werden konnte. Aber wer sich durch das schmale Fenster zwängte, wurde in diesem Land der grandiosen Rundblicke mit einer kilometerweiten Aussicht in den Dunst jenseits des Tibertals belohnt. Stella balancierte auf einem wackeligen, rostigen Metallstuhl, aß Kuchen, leckte sich die Schokolade von den Fingern und betrachtete Luca lüstern, während er davon erzählte, dass er sich vor zwei Jahren von Rom in die Provinz hatte versetzen lassen, weil er den Stress satt hatte. Sein graues T-Shirt spannte ein wenig über Brust und Bizeps, es war eine Nummer zu klein, aber sie vermutete darunter ein sorgfältig im Fitnesscenter antrainiertes Polizistensixpack, und das war schon mal eine gute Aussicht. Männersandalen, in diesem Fall wenigstens aus Leder, zu Bermudashorts hätte sie in Deutschland als modisches Verbrechen eingestuft, aber an einem echten römischen Gladiator ließ sie sogar das als schick durchgehen. Einzig seine pomadisierten Locken machten ihr Sorge. Ob die womöglich klebten, wenn man sie anfasste? Sie verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich stattdessen auf seine schönen Zähne. Sein Lächeln war vom lieben Gott zum Küssen gebastelt worden, eindeutig. Nur schade, dass er seine grünen Gletschersee-Augen ständig hinter der Sonnenbrille verbarg.
    Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde, wer nun den nächsten Schritt tun musste. Das frisch bezogene Bett war ein ermutigendes Signal. Sie aß aus Verlegenheit noch eines der winzigen Cremetörtchen, und ein Satz von Pitigrilli kam ihr in den Sinn, einfach so. »Kennst du den gemeinsten Satz der Literaturgeschichte?«, fragte sie. Er schaute sie mit seinen Sonnenbrillengläsern verdutzt an. Sie betrachtete ihr Spiegelbild und nahm ihm die Brille von der Nase. »Wenn ich eine alte Frau Törtchen essen sehe, scheinen sie mir unnütz vergeudet«, zitierte sie und war nun doch etwas verlegen, dass sie ihn so überfallartig seiner Brille beraubt hatte. Er entschuldigte sich, weil er tatsächlich vergessen hatte, dass er sie trug. »Der Satzstammt von dem großen italienischen Zyniker Pitigrilli«, beeilte sie sich zu erklären und er nickte, als würde er tatsächlich verstehen, was sie da plapperte.
    Wie töricht, mal wieder mit einer unpassenden Bemerkung die Stimmung zu zerstören. So ließ sich doch kein Mann verführen, sich selbst als alte Frau zu bezeichnen und damit seine Aufmerksamkeit auf die Stirnfalten und die Krähenfüße zu lenken. Wie bescheuert war sie eigentlich, dass ihr immer nur die falschen Worte einfielen. Valerie, die große Herzensbrecherin, schüttelte wahrscheinlich im Jenseits entsetzt den Kopf über so viel Tollpatschigkeit. Andererseits befand Stella sich noch quicklebendig im Hier und Jetzt, trotz Totalversagens in der Verführungskunst. Die Buddhisten hatten recht, man konnte nie vorher wissen, ob der Weg, den man im Leben einschlug, auch der richtige war. Das stellte sich immer erst unterwegs heraus. Selbst ganz am Ende konnte man noch auf einen Irrweg geraten. Mit neuem Mut blinzelte sie in die Sonne, die nun auch den letzten Rest Schatten auf der Terrasse wegputzte. Gleich würde es hier sogar nackt zu heiß werden.
    Luca hatte sich nun doch zu einer Reaktion auf ihr Zitat entschlossen. »Mein Lieblingszitat der Weltliteratur ist von Raymond Chandler«, sagte er, »ich habe es schon oft benutzt.« Er nahm ihre Hand, die scheinbar absichtslos neben seiner auf dem Tisch gelegen hatte. »Eines vermisse ich in Ihrer Geschichte.« Er ahmte den gefährlich schläfrigen Ton von Humphrey Bogart beim Anblick von Lauren Bacall nach und schaute ihr dabei tief in die Augen. »Die Wahrheit.«
    Hoppla, was war das jetzt wieder für eine Wendung in der Konversation?
    Sie wagte es, ihm ebenfalls in die Augen zu blicken, auch auf die Gefahr hin, in den Gletscherseen zu ertrinken, und sah, dass nirgendwo Untiefen lauerten. Sie schöpfte neuen Mut. »Die Wahrheit?«, sagte sie und schnipste ihm einen Blätterteigkrümel von den Lippen. Ein Glück, dass der Campingtischso schmal war, so ging es ganz leicht, das Hinüberlehnen und Küssen. Er hatte nichts dagegen. Ganz im Gegenteil. Na endlich. Valerie klatschte Beifall in ihrem Himmel, ganz bestimmt.
     
    Gegen Abend gab es schon

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