Es stirbt in mir
Recherchen in der Butler Library, kam spät nach Hause, erschöpft, gereizt und impotent. Ich nahm sie mit in meine Wohnung, konnte ihn auch nicht hochkriegen – was sie beunruhigte; sie hielt es für ein Zeichen der Ablehnung – und hörte mir zwei unbehagliche Stunden lang ihre Lebensgeschichte an. Schließlich und endlich gelang es mir doch noch, sie leidlich zu vögeln, aber ich kam beinahe sofort. Also nicht gerade meine Sternstunde. Als ich sie nach Hause begleitet hatte – 110th Street und Riverside Drive – und wieder zurückkam, klingelte das Telefon. Pam. »Toni hat sich bei mir gemeldet«, verkündete sie, und ich hatte vor Schuldbewußtsein wegen meiner leichtsinnigen Treulosigkeit auf einmal das Gefühl, über und über beschmutzt zu sein. »Sie wohnt bei Bob Larkin in der East 83rd Street.«
Eifersucht, Verzweiflung, Demütigung, Qual.
»Bob – wer?«
»Bob Larkin. Das ist der piekfeine Innenarchitekt, von dem sie ununterbrochen redet.«
»Mir gegenüber nicht.«
»Ein uralter Freund von Toni. Sie stehen sich sehr nahe. Ich glaube, sie sind manchmal miteinander ausgegangen, als sie noch in der High School war.« Lange Pause. Dann Pams tröstendes Kichern in mein verdattertes Schweigen hinein. »Lassen Sie nicht die Nase hängen, David! Er ist schwul! Er ist nur so eine Art Beichtvater für sie, zu dem sie immer kommt, wenn sie nicht weiter weiß.«
»Ach so.«
»Ihr beiden habt euch getrennt, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht recht. Ich glaube schon. Aber ich weiß es nicht.«
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« Und das von Pam, von der ich immer geglaubt hatte, daß sie überzeugt sei, ich übe einen destruktiven Einfluß auf Toni aus und Toni müsse mit mir Schluß machen!
»Geben Sie mir seine Telefonnummer«, bat ich.
Dann rief ich an. Das Telefon klingelte und klingelte und klingelte. Endlich meldete sich Bob Larkin. Der Mann war allerdings schwul, eine weiche Tenorstimme, sogar mit dem unvermeidlichen Lispeln, kaum zu unterscheiden von Tonis Chef Teddy. Wer bringt ihnen nur bei, mit diesem Homo-Akzent zu sprechen? »Ist Toni da?« fragte ich. Vorsichtige Rückfrage: »Wer ist denn da?« Ich sagte es ihm. Er bat mich zu warten, und dann verging eine Minute, während er, die Hand über die Sprechmuschel gelegt, mit ihr konferierte. Endlich war er wieder da und erklärte, ja, Toni sei da, aber sie sei sehr müde, wolle sich ausruhen und habe keine Lust, jetzt mit mir zu sprechen. »Es ist aber dringend«, behauptete ich. »Bitte, richten Sie ihr aus, daß es dringend ist.« Wieder eine gedämpfte Beratung. Dieselbe Antwort. Er schlug vor, ich solle in ein paar Tagen noch einmal anrufen. Ich verlegte mich aufs Betteln. Mitten in diesem, alles andere als mannhaften Auftritt wurde ihm offenbar das Telefon entrissen, und Toni sagte: »Warum rufst du an?«
»Ich dachte, das wäre eindeutig. Weil ich möchte, daß du zu mir zurückkommst.«
»Ich kann nicht.«
Sie sagte nicht: Ich will nicht. Sie sagte: Ich kann nicht.
Ich sagte: »Würdest du mir sagen, warum?«
»Nein.«
»Du hast mir nicht mal eine Nachricht hinterlassen. Kein Wort der Erklärung. So schnell bist du davongelaufen.«
»Es tut mir leid, David.«
»War es, weil du bei deinem Trip in mir etwas gesehen hast?«
»Ich möchte nicht darüber sprechen«, antwortete sie. »Es ist vorbei.«
»Aber ich will nicht, daß es vorbei ist.«
»Ich schon.«
Ich schon. Das klang, als würde mir ein großes Tor direkt vor der Nase zugeworfen. Aber noch würde ich nicht dulden, daß sie auch die Riegel vorschob. Ich behauptete, sie habe ein paar Sachen bei mir vergessen. Bücher, Kleidungsstücke, Lüge: Sie hatte alles mitgenommen. Aber ich kann sehr überzeugend sein, wenn man mich in die Enge treibt, und so begann sie mir zu glauben. Ich erbot mich, ihr die Sachen gleich zu bringen. Sie wollte nicht, daß ich kam. Sie wolle mich nie wiedersehen, erklärte sie. Das sei weit weniger schmerzlich. Aber ihrem Ton fehlte die Überzeugung; er war höher und viel nasaler als sonst, wenn sie es ernst meinte. Ich wußte, daß sie mich schon mehr oder weniger liebte; sogar nach einem Waldbrand steckt in einigen Baumstümpfen noch Leben, und sie bekommen grüne Triebe. Redete ich mir ein. Idiot, der ich war. Wie dem auch sei, sie konnte mich einfach nicht ganz abweisen. Genau wie sie es sich nicht hatte versagen können, das Telefon zu nehmen, war es ihr jetzt unmöglich, mir den Zugang zu ihr zu verweigern. Wie ein Wasserfall redend,
Weitere Kostenlose Bücher