Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Titel: Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Brackston
Vom Netzwerk:
und schlich auf Zehenspitzen um die schlafenden Gendarmen herum. Leere Flaschen, die Hänsels bestes Zwetschenwasser enthalten hatten, legten die Vermutung nahe, dass der Schlaf der Männer tief war. Endlich war Gretel bei ihrem Bruder angelangt. Sein riesiger Bauch hob und senkte sich mit jedem Schnarcher. Gretel packte ihn an der Schulter und schüttelte ihn sacht. Sein Schnarchen geriet ein wenig ins Stocken. Sie schüttelte ihn erneut, beugte sich vor und brachte ihre Lippen nahe an sein Ohr.
    »Hänsel!«, zischte sie. »Wach auf!«
    »Was? Was ist los?«, rief er.
    »Pssst!« Sie legte ihm eine Hand auf den Mund. »Um Himmels willen, sei leise.«
    Seine Augen mühten sich um einen klaren Blick und spiegelten zuerst Erschrecken, dann Erstaunen und schließlich so etwas wie benebelte Glückseligkeit.
    »Kein Wort«, warnte ihn Gretel. »Komm, ehe die anderen aufwachen. Hier entlang.«
    Sie zerrte ihn auf die Beine und dirigierte ihn an den ruhenden Leibern vorbei, die noch immer rund um die langsam erkaltende Asche herum schlummerten. Dabei brachte Hänsel es tatsächlich fertig, dem ältesten Gendarmen auf die ausgestreckte Hand zu treten. Aber der Mann war so taub   – sei es von der feuchten Kälte der Nacht oder von Hänsels machtvollem Gebräu   –, dass er kaum im Schlaf zuckte.
    Der Wagen war ein solides Gefährt, hatte aber schon bessere Tage gesehen. Die einst leuchtend blaue Farbe blätterte bereits ab, und die Radbolzen wiesen Rost auf.
    »Hier.« Gretel positionierte Hänsel zwischen den Stangen des Wagens. »Du ziehst, ich schiebe.«
    Sie ging um das Gefährt herum und stemmte sich mit der Schulter an die Heckklappe.
    »Los!«, zischte sie leise. »Wir müssen das Ding auf die Straße schieben.«
    »Wäre es nicht klüger, das Pferd zu nehmen?«, wandte Hänsel ein.
    »Ich habe ein Pferd.«
    »Was? Wo?«
    »Hör auf, Fragen zu stellen, und zieh!«
    Begleitet von einem Duett aus Grunzlauten widmeten sie sich mit all ihrem Gewicht und ihrer Kraft der Herausforderung. Knirschend setzte sich der Wagen in Bewegung.
    »Pass auf den Gendarmen auf!« Sogar aus ihrer benachteiligten Position heraus konnte Gretel erkennen, dass Hänsel kurz davor war, über einen der Schlafenden zu trampeln. »Links, Hänsel. Nach links. Ja, genau so.«
    Auf einmal fing der Wagen an, bei jeder Umdrehung der Räder ohrenbetäubend zu quietschen. Das Geräusch drang in das schläfrige Hirn des am nächsten liegenden Gendarmen, der sich aufsetzte, um sich schlug und in der kalten Morgenluft brüllte: »Wer da? Gendarmerie! Halt!«
    Gretel erstarrte mitten im Schritt. Hänsel stand so still wie ein Felsen zwischen den Stangen. Gemeinsam bildeten sie eine Art sonderbarer Reiterstatue ohne Pferd. Gretel hielt den Atem an und wartete auf Geschrei, auf Befehle und das Geräusch von Schwertern, die aus ihren Scheiden glitten. Nichts. Stille. Schließlich wagte sie einen vorsichtigen Blick auf den aufgeschreckten Gendarmen. Obwohl seine Augen offen waren, hielt das Zwetschenwasser noch immer sein Bewusstsein umfangen. Wortlos sank er zurück auf den Boden.
    »Ein ganz besonders guter Jahrgang«, erklärte Hänsel.
    »Halt’s Maul und zieh«, gab Gretel zurück.
    Nach einer weiteren Minute waren sie am Straßenrand, wo es einfacher und schneller voranging. Gretel wartete, bis sie in sicherer Entfernung vom Lager waren, ehe sie Roland zuwinkte, der kurz darauf mit dem haselnussbraunen Pferd zu ihnen stieß.
    »Du liebe Güte«, sagte Hänsel. »Der junge Hund. Was machst du denn hier?«
    »Mach dir darüber keine Gedanken«, wies ihn Gretel zurecht. »Los, spannen wir an.« Sie reichte Roland Zugriemen und Kummet. »Wir müssen auf dem Gras bleiben, bis wir außer Hörweite sind.«
    »Wirklich schönes Tier«, bemerkte Hänsel anerkennend.»Kein Wunder, dass du den alten braunen Klepper nicht wolltest.«
    Gretel brachte ihr Gepäck in den Wagen und kletterte hinein. »Einen Wagen leihen ist eine Sache«, erklärte sie, »aber für Pferdediebstahl wurden in dieser Gegend schon Leute gehängt.«
    »Der Wagen ist geliehen?« Hänsel klang nicht gerade überzeugt.
    Gretel musterte ihn mit einem strengen Blick. »Es steht dir frei, bei deinen Saufkumpanen zu bleiben. Ich bin sicher, sie werden ihre Ansichten über einen Zwetschenwasserkater gerne mit dir teilen, wenn sie aufgewacht sind.«
    »Mach Platz«, sagte Hänsel und kletterte ebenfalls in die Kutsche.
    Der junge Hengst musste sein Gewicht verlagern, um mit der größeren Ladung

Weitere Kostenlose Bücher