Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
wird, auf keine Weise. Sie glaubt, mich beschützen zu müssen, doch das ist unnötig.“
Braggs blonde Brauen hoben sich. „Einiger könnten wir uns nicht sein. Wie selbstlos von dir.“
Innerlich schäumte Hart vor Wut. „Wir wissen beide, dass ich nicht selbstlos bin, Rick, also fang gar nicht erst so an. Doch selbst ich bin nicht so verdorben, dass ich Francesca in die unangenehme Situation bringe, mich im Fall des Mordes an meiner Exgeliebten zu verteidigen.“ Er wollte Francesca nicht immer wieder mit seiner Vergangenheit mit Daisy – oder anderen Frauen – konfrontiert sehen. Tatsächlich bedauerte er seinen losen Lebenswandel, seit er sie kannte. Und wenn er die Vergangenheit schon nicht ändern konnte, hoffte er doch, sie zumindest von Francesca fernhalten zu können. Heute Nacht aber war das ganz und gar nicht gelungen.
„Man könnte fast glauben, dass Francesca bei dir an erster Stelle steht“, spottete Rick. „Allerdings wissen wir beide, dass es nicht so ist.“
Wie sehr er die selbstgerechte, verurteilende Art seines Bruders verabscheute! „Lass uns damit aufhören, Rick“, lenkte Hart dennoch ein, weil er fühlte, wie die Wut in ihm wuchs.
Doch Rick konnte offenbar nicht aufhören. „Du willst nicht, dass Francesca erfährt, warum du heute Abend zu deiner Geliebten gefahren bist, nicht wahr?“ Dabei bebte seine Stimme vor Zorn. „Wir wissen beide, dass du nicht hingefahren bist, um über Ausgaben und Konten zu sprechen.“
„Ach, fahr doch zur Hölle. Ich bin nicht zu Daisy gefahren, um mit ihr zu schlafen.“
Unverwandt sah Rick ihm tief in die Augen. Schließlich sagte er: „Warum dann? Denn nur eine sehr dringende Angelegenheit kann dich so spät noch aus dem Haus geführt haben.“
Wieder dachte Hart an Daisys Schluchzen, ein Bild, das er hasste. „Ich habe dir schon gesagt, dass es sich um eine finanzielle Angelegenheit handelte. Ich bin nicht einmal sicher, worum genau es dabei ging. Wahrscheinlich wollte sie mehrGeldmittel. Letzten Monat habe ich sie gebeten, das Haus früher als vereinbart aufzugeben. Aber sie lehnte ab, und ich ließ alles beim Alten. Vielleicht wollte sie mich bitten, sie auszuzahlen.“ Er lächelte kühl. „Aber das werden wir nie erfahren, nicht wahr?“
„Wie interessant: dein Wort gegen das einer toten Frau. Warum hast du Daisy gebeten, das Haus früher als vereinbart aufzugeben?“
Schon vor langer Zeit hatte Calder gelernt, so dicht wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. „Sie war mir gegenüber unfreundlich, sogar bösartig – und schlimmer noch: auch gegenüber Francesca. Ich war wütend auf sie und hatte einfach genug.“
Wieder hob Bragg die Brauen. „Warst du auch heute Nacht wütend auf sie?“
„Nein“, entgegnete Hart und sagte die Wahrheit.
Das erkannte auch Rick, denn er nickte. „Gibt es noch irgendetwas, das du hinzufügen möchtest?“
„Nein.“
Noch ein Nicken. „Komm bitte morgen Nachmittag vorbei. Dann ist deine Aussage fertig zum Unterzeichnen.“ Er zögerte. „Calder, es kann nicht schaden, wenn du deinen Anwalt mit bringst.“
„Ich brauche keinen Anwalt, da ich niemanden ermordet habe.“
Mit einem Schulterzucken ging Rick in Richtung Tür.
Indem er ihm die Hand auf die Schulter legte, hielt Hart ihn zurück. „Ich meinte es ernst, als ich gesagt habe, ich möchte nicht, dass Francesca an diesem Fall mitarbeitet. Lehne ihre Mitarbeit ab, Rick, wenn du sie morgen siehst. Das hier ist nichts für sie.“
„Ich kann sie nicht umstimmen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.“
„Du kannst es nicht, oder du willst es nicht?“
Statt einer Antwort warf Rick ihm einen schwer zu deutenden Blick zu und ging hinaus.
Jetzt verlor Hart die Beherrschung und trat mit aller Kraft gegen die Tür.
3. KAPITEL
Dienstag, 3. Juni 1902
3.00 Uhr
Während Hart und Bragg miteinander sprachen, wartete Francesca in Harts Kutsche, einem großen, eleganten Sechsspänner. Auch wenn es im Präsidium ungewöhnlich ruhig gewesen war, wollte sie doch allein mit ihren Gedanken sein.
Zu dieser Zeit wirkte der Bezirk fast ausgestorben. Obwohl zahlreiche Prostituierte in den Häusern gegenüber vom Polizeihauptquartier arbeiteten, sah Francesca nur eine Frau, die in einem geschmacklosen Negligé und mit einer pinkfarbenen Federboa auf den Stufen vor ihrem Haus saß und eine Zigarette rauchte. Zwei Streifenpolizisten in ihren blauen Uniformen und den Lederhelmen kehrten von der Patrouille zurück. Sie hielten
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