Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
sie dicht neben dem Telefon, und sie griff nach dem Hörer, bevor er ihn ihr geben konnte, weil sie sich nicht anmerken lassen wollte, wie schwach und hilflos sie geworden war. Doch der Hörer war groß und sie ungeschickt, sodass er zu Boden fiel.
Wieder kämpfte Leigh Anne gegen die Tränen, während Mackenzie den Hörer aufhob und ihr reichte.
Sie atmete tief durch und tat ihr Bestes, um Rick nicht merken zu lassen, wie schlecht sie sich fühlte. „Rick?“
„Leigh Anne. Wie geht es dir?“, fragte er mit einer betont neutralen Stimme.
Aber schließlich waren sie zu Fremden geworden, weil sie es offenbar so wünschte. „Es geht mir gut“, erwiderte sie und war sich des Ausmaßes dieser Lüge sehr wohl bewusst. „Du warst letzte Nacht aus“, fügte sie ebenso gleichmütig hinzu wie er. Letzte Nacht war er nicht ins Bett gekommen. Meistens schlief er auf dem Sofa im Arbeitszimmer, was ihr angenehm war – und ihm ebenso, wie sie wusste. Stundenlang hatte sie im Bett gelegen und so getan, als ob sie schliefe, dabei hatte sie sich unentwegt gefragt, ob er wohl zu ihr kommen würde. Sie hatte Angst, dass er es täte, schlimmer noch, dass er versuchen würde, sie zu umarmen. Doch stattdessen hatte jemand an die Eingangstür geklopft, und er war für den Rest der Nacht verschwunden. Natürlich wusste sie, dass solche Notrufe zur Polizeiarbeit gehörten.
„Ich musste wegen einer dringenden Angelegenheit ins Präsidium“, erklärte er. „Hast du gut geschlafen?“
„Ja“, log sie erneut, da sie nicht mehr als ein oder zwei Stunden geschlafen hatte.
„Was hast du heute vor?“, fragte er weiter.
Nichts. Sie hatte nichts vor. Sie scheute sich, ihr altes Leben wieder aufzunehmen, weil sie sich die Reaktion ihrer Freunde nicht vorstellen konnte, wenn sie sie im Rollstuhl empfing. Trotzdem akzeptierte sie einige Besucher. Francesca Cahill kam zweimal die Woche vorbei. Leigh Anne mochte sie aufrichtig – sie war sehr nett und ging vollkommen selbstverständlich mit ihrer Behinderung um. Auch Ricks Eltern kamen regelmäßig vorbei – Grace sogar täglich. Doch der Besuch ihrer alten Freundin Gräfin Bartolla Benevente war eine Katastrophe gewesen. Die ganze Zeit über hatte Leigh Anne gespürt, wie die Gräfin sich insgeheim an ihrem Zustand weidete. Wie viele ihrer anderen alten Freunde würden sich wohl ebenfalls an ihrem Unglück erfreuen? „Wenn Katie gleich aus der Schule kommt, werden wir wohl in den Park gehen“, antwortete sie schließlich.
„Es ist ein schöner Tag. Ich versuche, früher nach Hause zu kommen“, erwiderte er mit einem leichten Zögern in der Stimme.
Sie schluckte und wünschte, dass er sofort nach Hause käme. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Bilder aus ihrer Vergangenheit, ein Kaleidoskop glücklicher, lustiger und leidenschaftlicher Erinnerungen. „Wenn es um etwas Ernstes geht, tu, was du tun musst, Rick. Du weißt, ich komme zurecht“, sagte sie stattdessen.
Er schwieg, und sie überlegte, ob er erleichtert oder bestürzt war.
„Kannst du dich an Daisy Jones erinnern?“, fragte er. Plötzlich war ihr Interesse geweckt. Sie bemerkte die Vorsicht in seiner Stimme, denn zweifellos hörte die Telefonistin jedes Wort mit. Das war der einzige Nachteil dieser unglaublich bequemen Erfindung – es gab keine Privatsphäre beim Telefonieren.
Daisy war Calder Harts Geliebte oder ist es bis vor kurzem gewesen. „Ja, natürlich.“
„Sie wurde letzte Nacht ermordet.“
Leigh Anne rang nach Luft. „Das ist furchtbar“, antwortete sie und meinte es auch so, obwohl sie die Frau niemals kennen gelernt hatte.
„Deshalb kann es heute Abend spät werden“, erklärte Rick grimmig.
Nach dieser Neuigkeit hatte Leigh Anne viele Fragen. Hart war Ricks Bruder, und auch wenn die beiden sich nicht gut verstanden, machte sie sich doch Sorgen. „Natürlich“, erwiderte sie schnell.
„Danke für dein Verständnis“, sagte er. „Ich muss jetzt wieder an die Arbeit.“
„Gut“, stimmte sie zu, noch immer konsterniert von der Nachricht über Daisys Ermordung. Sie kannte Hart nur oberflächlich und fragte sich, wie er auf die Nachricht reagiert haben mochte.
Nachdenklich legte Leigh Anne den Hörer zurück auf die Gabel. „Mr Mackenzie? Ich möchte jetzt hinunter.“ Auf einmal fiel ihr Francesca ein. Wie ging es ihr damit? Doch dann lächelte sie. Unerschrocken wie sie war, kümmerte sich Francesca zweifellos bereits um den Fall.
Während Mackenzie sie aus dem Schlafzimmer
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