Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
ihr nicht aus dem Kopf. Sie fragte sich, was Evan wohl sagen würde, wenn er von ihrem neuen Fall erfuhr.
Lächelnd betrat er in diesem Moment das Zimmer. „Fran! Was für eine schöne Überraschung?“, sagte er und nahm sie gleich in den Arm.
Wie fast immer wirkte Evan gut gelaunt und strahlend – ein Gewinnertyp. Er war groß, dunkelhaarig und schneidig, und bis zu dem Moment, da er bei seinem Vater in Ungnade gefallen war, hatte ihn der Ruf begleitet, eine erstklassige Partie zu sein. Francesca erwiderte sein Lächeln und sah ihm in die Augen. „Es scheint dir gut zu gehen.“
Er lachte und zuckte beiläufig mit den Schultern. „Ich war seit über einem Monat an keinem Spieltisch mehr, Fran.“
Sie stieß einen kleinen Freudenschrei aus. Evans Leidenschaft war das Glücksspiel, und zu ihrem Schrecken hatte sie erfahren müssen, dass seine Spielschulden bei deutlich über hunderttausend Dollar lagen. Dies war einer der Gründe für die Unstimmigkeiten zwischen ihm und seinem Vater gewesen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er sogar von dem Mann, dem er die Summe schuldete, eine Morddrohung erhalten. Francesca hatte sich fünfzigtausend Dollar von Hart geliehen, damit ihr Bruder zumindest einen Teil seiner Schulden begleichen konnte. Hart selbst war an den Gläubiger herangetreten, um ihn mit klaren Worten zu warnen, er solle Evan besser nicht nach dem Leben trachten. Seitdem hatte es keine Drohungen mehr gegeben. In der Vergangenheit war Evan in Abständen immer wieder seiner Spielsucht verfallen, umso erfreuter war Francesca, dass er bislang einen großen Bogen um alle Nachtclubs gemacht hatte. „Das ist wunderbar“, sagte sie. „Und du fühlst dich auch nicht versucht?“
Er warf ihr einen finsteren Blick zu. „Die Versuchung wird immer da sein, Fran, bis zum Ende meines Lebens.“ Dann hellte sich seine Miene auf. „Aber die Countess hält mich sehr auf Trab und sorgt auf diese Weise für Ablenkung.“
Unwillkürlich sah sie die Witwe mit dem kastanienroten Haar vor sich. „Ist es etwas Ernstes geworden?“, fragte sie beiläufig. Sie konnte die schillernde Countess gut leiden, auch wenn sie ihr nicht vorbehaltlos vertraute. Bartolla Benevente hatte sich immerhin ungefragt eingemischt, als Francesca ihre Liaison mit Rick Bragg hatte.
Evan zögerte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dann ging er zum Fenster, von dem aus man auf die Madison Avenue schauen konnte. Sie stellte sich zu ihm. Unten auf der Straße drängten sich die Kutschen und Karren. Die Stadt pulsiertevor Leben. Fußgänger – vorwiegend dunkel gekleidete Gentlemen – eilten hin und her, und aus einem unerklärlichen Grund musste sie an Hart denken. Dass sie ihn am Abend sehen würde, entlockte ihr ein Lächeln.
Dann aber kehrten ihre Gedanken zu Daisy zurück, und sie legte die Stirn in Falten, während ihr Herz aus Angst einen Schlag lang auszusetzen schien.
„Ich weiß nicht“, antwortete Evan schließlich und sah dann Francesca an. „Ich bin verliebt, aber … ich war auch früher schon verliebt.“
Sie war beeindruckt, aus seinem Mund ein so ehrliches Bekenntnis zu hören. „Ja, das warst du. Und es scheint, als würdest du dich zu jeder Frau hingezogen fühlen, die so ist wie Bartolla Benevente.“
Ihre Bemerkung ließ ihn flüchtig lächeln. „Stimmt. Sie wäre eine gute Ehefrau.“
„Ich bezweifle, dass sie einen kleinen Kanzleiangestellten heiraten möchte.“
„Da muss ich dir Recht geben. Mir kam dieser Gedanke auch schon. Sie bedrängt mich immer wieder, ich solle mich mit Vater vertragen.“
Francesca legte eine Hand auf seinen Arm. „Du tust, was du tun musst, Evan. Ich bin sehr stolz auf dich.“
Er schüttelte den Kopf, sein Gesichtsausdruck hatte etwas Selbstkritisches. „Und wie geht es dir? Du scheinst vor Glück zu strahlen, Francesca, aber wenn ich in deine Augen blicke, entdecke ich Besorgnis. Ist alles in Ordnung?“
Nun war sie diejenige, die zögerte. Sie überlegte, ob sie ihm von ihrer schrecklichen Begegnung mit Daisy erzählen sollte. Aber sie wollte sich nicht noch länger mit diesem schmerzhaften Thema befassen. „Ich habe einen neuen Fall“, erwiderte sie in dem Bemühen, sich selbst abzulenken, gab den Versuch aber schnell auf. „Ich bin vor einigen Stunden Daisy begegnet“, gestand sie dann.
Evan horchte auf. „Daisy? Du meinst dieses reizende Geschöpf, das Hart … du meinst“, er räusperte sich, „Harts … ähm … du meinst Daisy Jones?“
„Sie war seine
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