Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
blickte in den ersten Salon, dessen Tür offen stand. Plötzlich sah sie Daisy vor sich, wie sie sich in einer fließenden, eleganten Bewegung von ihrem Sofa erhob.
Wie leicht war es doch, sich Daisy lebendig vorzustellen. Francesca wischte die Tränen von der Wange.
„Ich wünschte, ich hätte dich besser gekannt“, flüsterte sie, während sie in den Salon ging, in dem Daisy sie einige Mal empfangen hatte. „Ich wünschte, ich hätte nicht solche Angstvor dir gehabt, doch du warst so schön, und ich war unsicher.“ In dem leeren, wundervoll möblierten Zimmer war es totenstill. Sie begriff, dass sie sich erhofft hatte, Daisys Anwesenheit zu spüren, auch wenn das nichts änderte. Doch dieser Raum war jetzt ohne jedes Leben.
Noch beim Hinausgehen weinte Francesca. Wie schrecklich hatte Daisy als Kind gelitten? Wie konnte ein Mann seiner Tochter so etwas Furchtbares antun? Warum hatte niemand bemerkt, was da vor sich ging, und es verhindert? Auf der Schwelle zum Arbeitszimmer hielt sie inne.
„Es tut mir leid, dass wir Streit hatten“, flüsterte sie. „Doch ich verstehe dich jetzt. Wirklich.“
Das Arbeitszimmer – klein, dunkel und nicht beleuchtet – hätte gemütlich sein sollen, doch das war es nicht. Selbst im Dämmerlicht sah man die großen Blutflecke auf dem persischen Teppich. „Wer hat es getan? Daisy, ich werde deinen Mörder finden, doch im Moment weiß ich nicht weiter. Hat dein Vater dich getötet?“
Natürlich erhielt sie keine Antwort. Doch dieser Raum fühlte sich nicht leer und verlassen an wie der Salon.
Francesca erstarrte. Sie war nicht allein im Arbeitszimmer. Sämtliche Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf und mit einem Gefühl des Unbehagens drehte sie sich um.
Vor ihr stand Martha Gillespie. „Warum lassen Sie die Toten nicht in Ruhe?“
Bevor Francesca antworten konnte, hob Martha eine kleine Pistole.
„Warum lassen Sie uns nicht in Ruhe?“
Als er O’Donnell ins Gesicht sah, wünschte Bragg, er hätte mehr Ähnlichkeit mit seinem Halbbruder. Bei vertauschten Rollen, wenn Hart aus irgendeinem Grund Francesca verteidigen müsste, würde er nicht zweimal darüber nachdenken, wieer O’Donnell loswerden könnte. Davon war Bragg überzeugt.
Überraschung und Furcht traten in O’Donnells Augen. Dann erblickte er den Koffer in Braggs Hand und war offenbar erleichtert. Bragg trat an O’Donnell vorbei in die Wohnung und dachte dabei an die Waffe, die er bei sich trug, und an den East River, in den so viele Leichen geworfen wurden. Eine seltsame Verzweiflung überkam ihn. Wie konnte er nur vom Glauben an das Gesetz zu dem Wunsch gelangen, einen Mord zu begehen?
Am Küchentisch stand Beth O’Brien und starrte auf den Diplomatenkoffer in seiner Hand. O’Donnell schloss die Tür. Auch er ließ den Koffer keine Sekunde aus den Augen. Ihre Gier erfüllte Bragg mit Abscheu und Ekel.
„Ich nehme an, Ihre hübsche Frau hat Ihnen erzählt, wie schwer es für uns in den letzten Monaten war“, sagte O’Donnell und trat zu ihm.
Zorn wallte in Bragg auf. O’Donnell hatte Leigh Anne bedroht. Doch als er das Wort ergriff, war er überrascht, wie ruhig und gefasst er klang. „Sie hat mir gesagt, dass Sie sich einen Neuanfang wünschen. Im Süden gibt es mehr Beschäftigungsmöglichkeiten, habe ich gehört.“ Er ging zum Küchentisch. Ohne den Mann oder die Frau direkt anzusehen, behielt er sie doch gut im Auge. Sowohl O’Brien als auch O’Donnell näherten sich. Langsam legte er den Koffer auf den Tisch und öffnete die Schlaufen. Dann machte er ihn ganz auf und gab den Blick auf die Geldbündel frei. „Ich denke, ein solches Geschenk ist sehr hilfreich“, sagte er, wobei sein Herz bis zum Hals schlug. Sehr ruhig und ohne einen von ihnen anzuschauen, fügte er hinzu: „Sie können es zählen, wenn Sie wollen.“
O’Donnell kicherte und griff in den Koffer, um eines der Bündel herauszuholen. „Das wird kaum nötig sein, Commissioner. Hey, wissen Sie was? Mit Verwandten wie Ihnen müssen wir uns nie wieder Sorgen machen.“
Es wäre so einfach, seinen Revolver zu ziehen und beide loszuwerden. Wenn er es nicht tat, kamen sie zurück, das war ebenso sicher wie das Amen in der Kirche.
„Ich schätze, ich muss der kleinen Lady dafür danken.“ Grinsend legte O’Donnell das Geldbündel in den Koffer zurück. „Für eine solche Frau ist ein Mann zu allem fähig.“
Ohne dass er sich der Bewegung bewusst war, lagen Braggs Hände plötzlich um O’Donnells Hals,
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