Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es wird Dich rufen (German Edition)

Es wird Dich rufen (German Edition)

Titel: Es wird Dich rufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Cross
Vom Netzwerk:
in den Augen der Menschen sah.
    Die vergangenen Tage hatte Mike ausgiebig genutzt, sich mit dem romantischen Städtchen näher vertraut zu machen. Es zog ihn fast magisch an. Er wollte neue Eindrücke gewinnen und in sich aufnehmen. Nur einige winzige Augenblicke lang hatte sich Nadine zurück in sein Gedächtnis gedrängt. Immer dann, wenn er ein turtelndes Liebespärchen an sich vorbeischlendern oder am großen Brunnen in der Stadtmitte Händchen haltend sitzen sah.
    Wehmütig nahm er diese Bilder in sich auf und dachte daran, dass es ihnen beiden jetzt genauso gut hätte gehen können. Es waren aber nur flüchtige Momente, die in dem beschaulichen Flair des Städtchens schnell untergingen.
    Mittlerweile glaubte Mike, jeden einzelnen Winkel von Rennes so gut zu kennen, als wäre er hier aufgewachsen. Er hatte insbesondere die mittelalterlichen Fachwerkhäuser lieben gelernt. Gerade die fürsorglich in Handarbeit gefertigten Details waren es, für die er die Erbauer bewunderte. Überall entdeckte er an den Fachwerkgebäuden kleine Rippen- und Fischgrätenmuster sowie Stützbalken, die mit hübschen Schnitzereien oder einem stolzen Wappen verziert waren.
    Aber auch von dem wahrscheinlich berühmtesten Bauwerk der Stadt, dem im Renaissance-Stil erbauten »Palais de Justice«, zu früheren Zeiten der Sitz des bretonischen Parlaments, war Mike regelrecht begeistert. Er hatte sich von seiner Fremdenführerin Feline, die glücklicherweise weitaus besser deutsch sprach, als er französisch, die prunkvolle Innenausstattung mit all den teuren Gemälden, vergoldeten Decken und Holztäfelungen zeigen lassen.
    »Voilà! Le café, Monsieur.«
    Höflich lächelnd stellte die Dame, die in dem Café die Gäste bediente, die Tasse vor ihn auf den Tisch. Mike nickte ihr ebenso galant zu. »Merci beaucoup!« Danke schön.
    Die Bedienung sah genau so aus, wie man es aus diversen kitschigen Filmen kannte. Sie trug einen mittellangen schwarzen Rock und eine strahlend weiße Bluse. Um die Taille hatte sie eine eierschalenfarbene Schürze gebunden. Ganz so, wie es das Klischee wollte. Dabei konnte Mike noch nicht einmal behaupten, dass es der Frau, die wohl Ende dreißig war, nicht stand. Irgendwie sah sie in diesem Outfit sogar ziemlich attraktiv aus; und es passte perfekt zum restlichen Ambiente des Cafés.
    An den Wänden hingen mehrere Ölgemälde unbekannter Künstler. Die Möblierung hatte einen mittelalterlichen Charme, vor allem Tische und Stühle, wodurch eine gewisse Ruhe und Gemütlichkeit ausgestrahlt wurde, die Mike zusagte und die er genoss. Hinter der Bar, einer rustikalen Theke aus schwerem Buchenholz, arbeitete ein etwas übergewichtiger Wirt. Voller Gemütsruhe wusch er einige Gläser, um sie danach in ihr Regal zu stellen. Währenddessen scherzte er mit seiner Bedienung.
    Heute war Mikes dritter Besuch in dem Café, doch an diesem Nachmittag war er erstmals nicht sein einziger Gast. Ein paar Tische weiter saßen etwa fünfzehn junge Leute, im Gespräch vertieft. Dass es sich bei ihnen um Studenten handelte, lag auf der Hand. Immerhin zählte Rennes, so hatte es ihm zumindest seine Fremdenführerin erklärt, zu einer der beliebtesten Universitätsstädte in Frankreich.
    Unweigerlich musste Mike an seine eigene Studienzeit zurückdenken; jedoch weniger an die Professoren und Vorlesungen als vielmehr an die vielen schönen Abende, die er mit seinen Freunden in Bars, Kneipen und im Kino verbracht hatte.
    Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und blickte auf die Uhr. Es war kurz nach drei. Er hatte also noch ein wenig Zeit. Gegen halb vier erst wollte er sich mit Feline treffen, die ihm eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der französischen Nordküste zeigen wollte: das Kloster Mont-Saint-Michel. Ein über 150 Meter hohes Benediktiner-Kloster, das Ende des zehnten Jahrhunderts auf einer kreisrunden Insel mitten im französischen Wattenmeer gebaut worden war. Victor Hugo hatte dieses Kloster einmal als »Pyramide der Meere« bezeichnet.
    »So etwas haben Sie noch nie gesehen«, hatte die Fremdenführerin seine Neugierde bereits geweckt, als er ihr zum ersten Mal begegnet war und sie ihm ein Programm für die nächsten Tage vorgeschlagen hatte. Sie war ihm von Stein empfohlen worden. Er und seine Frau pflegten sie immer dann zu engagieren, wenn sie mit Freunden in der Gegend unterwegs waren und ihnen die Stadt zeigen wollten.
    Noch ahnte Mike allerdings nicht, dass dieser Nachmittag vollkommen anders verlaufen sollte,

Weitere Kostenlose Bücher