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Es wird Dich rufen (German Edition)

Es wird Dich rufen (German Edition)

Titel: Es wird Dich rufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Cross
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und das Lebensgefühl der Menschen, die vor über hundert Jahren darin gelebt hatten. Das machte es ihm leichter, in die damalige Zeit und ihre mysteriöse Geschichte einzutauchen.
    Gleich hinter der Holztüre befand sich auf der linken Seite ein gemütlicher Raum, bei dem es sich um die alte Küche handelte. Der Boden war mit roten, quadratisch geformten Platten ausgelegt. Das Mauerwerk wies denselben erdfarbenen Ton auf wie das Gemäuer der Kirche gegenüber.
    Im linken Bereich des Raums stand ein schweres altes Buffet aus dunklem Holz, in dem noch heute Teller, Tassen und Töpfe aufbewahrt wurden. Gut ein halber Meter daneben hing ein leerer Kessel über einem Eisengestell, auf dem früher vermutlich die Mahlzeiten gekocht wurden.
    Zwei Wachsfiguren stellten eine Szene aus dem Leben des Abbés Saunière nach: Während er ein Buch in der Hand hielt und mit ausgestreckten Beinen auf einem Stuhl saß, servierte ihm die Mutter von Marie Dénarnaud, seiner Haushälterin, eine Suppe. Der kleine Holztisch vor den beiden Figuren war bereits für das Mittagsmahl gedeckt.
    Ein weiterer Raum, direkt neben der Küche, enthielt einige Utensilien des Priesters. Sauber aneinandergereiht hingen an der Wand seine Kutten, in Vitrinen wurden ein silbernes Kreuz, eine Karte, mehrere Münzen sowie einige persönliche Aufzeichnungen des Geistlichen ausgestellt.
    »Kommen Sie!«, rief Jean Mike zu, der staunend vor den Ausstellungsstücken stand. »Der Grabstein ist oben!«
    »Ich bin gleich da!«, antwortete Mike. Er wollte sich noch einen Augenblick den persönlichen Schriften Saunières widmen, während Jean bereits die alte knarrende Holzstiege am Ende des Gangs nahm, die in das erste Stockwerk hinaufführte.
    Dabei konnte Mike mit Saunières Notizen – bedingt durch seine mangelnden Französischkenntnisse – weit weniger anfangen als mit den alten Aufnahmen, die an der Wand gegenüber hingen. Sie zeigten Saunière, wie er den Bau der Villa Bethania und des Tour Magdala überwachte. Wo heute hohe Bäume standen, sah man auf den alten Fotos nur braches Land sowie vereinzelt frisch gepflanzte Sträucher.
    »Interessant«, murmelte Mike, dann folgte er dem alten Mann nach oben.
    Auch eine Etage höher entdeckte der Journalist jede Menge Bilder und Texte, die sich mit dem Leben und Wirken des Abbés Saunière in dem kleinen Pyrenäen-Dorf beschäftigten.
    »Sehen Sie hier«, zeigte Jean auf zwei Porträtfotos hinter jeweils vergoldetem Rahmen. »Das hier sind der Abbé und seine Haushälterin, Marie Dénarnaud.«
    Neugierig studierte Mike die Fotografien. Auf ihnen sahen sich beide ziemlich ähnlich – fast wie Bruder und Schwester.
    Saunière hatte ein auffallend markantes Gesicht und kurze dunkle Haare, die auf dem Schwarz-Weiß-Foto leicht ergraut schienen. Marie wirkte mit der hochgesteckten Frisur und demselben entschlossenen Ausdruck ihrer Augen wie das perfekt passende Pendant.
    »Manche nannten sie im Dorf ›die Madonna‹«, erklärte Jean.
    Mike drehte sich um. Vor der Tür, die hinaus in den Garten der Villa Bethania führte, stand ein Modell der gesamten Anlage des Geistlichen auf einem wackeligen Tisch. Sie war ein zweifellos stolzes Werk für einen Dorfpriester des ausgehenden 19. Jahrhunderts, befand der Journalist. Was diese Anlage insgesamt gekostet hatte, wollte er besser gar nicht wissen.
    Hinter einer Trennwand bewahrte die Kommune eine Nachbildung jenes Grabsteins auf, von dem Jean gesprochen hatte: der Grabstein der Marie de Negre d´Ables. Mike betrachtete ihn mit einem kritischen Blick, als sie beide davorstanden.
    Die Gravur des Grabsteins war voller Fehler. War dies aus Ungeschick und Unvermögen geschehen oder steckte Absicht dahinter?
    Mike fühlte sich an die überflüssigen Buchstaben in dem großen Manuskript erinnert.
    »Das ist einer der Steine«, bemerkte Jean. »Den zweiten, den sogenannten Praecum-Stein, hat Saunière komplett zerstört. Keiner weiß, weshalb er das getan hat.«
    »Ich vermute mal, weil er eine verschlüsselte Botschaft darauf entdeckt hat?«
    »Nicht schlecht, junger Freund!«, lobte Jean.
    »Es lag auf der Hand«, spielte Mike seine Einschätzung herunter. »Es wundert mich nur, dass er diesen hier dann nicht auch noch entfernt hat?«
    »Es gab eben glücklicherweise Kräfte im Dorf, die das zu verhindern wussten«, erklärte Jean.
    »Ich nehme an, diese Menschen kannten die wahre Bedeutung des Grabsteins nicht?«
    »Natürlich nicht! Für sie war es ein Grab wie jedes

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