Es wird Dich rufen (German Edition)
vergessen.«
»Jean«, sagte der alte Mann. »Einfach Jean.«
»Er ist so etwas wie mein Fremdenführer hier in Rennes-le-Château«, erklärte Mike.
»Wir hatten vorhin bereits die Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch, junger Freund.«
Mike ärgerte sich über Felines Leichtfertigkeit. »Du hättest eine Überschwemmung auslösen können!«
»Ich weiß – und es tut mir auch furchtbar leid«, bedauerte sie. Es war ihr sichtlich peinlich. So leise, dass nur Mike es hören konnte, ergänzte sie: »Und die andere Sache von vorhin – du weißt schon …, die bedauere ich natürlich auch. Ich wollte dich damit nicht in Verlegenheit bringen!«
»Schon in Ordnung«, sagte Mike versöhnlich. »Es lag ja nicht an dir! Vergessen wir es einfach.«
»Danke! Aber es wird mir schwerfallen«, lächelte sie kokett. »Übrigens: Du hast nicht zufällig das Fax gesehen, das auf meinem Bett lag?«, erkundigte sich Mike, während Jeans Blicke auf ein kleines, fast unscheinbares Tattoo fielen, das Feline auf der rechten Schulter trug. Er konnte es sehen, weil sie ihre Bluse nicht ganz zugeknöpft hatte und der Wind das Kleidungsstück leicht anhob. »Oder hast du es zufällig mitgenommen?«
»Ich habe in deinem Zimmer nichts angerührt!«, empörte sich Feline.
»Worum geht es?«, schaltete sich Jean nun ein.
»Das Fax, das ich erhalten hatte, mit den …«
Mike fiel ein, dass er dem alten Mann versprochen hatte, mit niemandem über den Inhalt des Umschlags zu reden. Er musste also ausweichen: »Mit den zwei Artikeln, die ich angefordert habe.«
»Tut mir leid«, sagte Feline und blickte unschuldig drein. »Ich habe wirklich kein Fax gesehen.«
»Na, ist auch nicht so schlimm!«, meinte Mike. Am Abend würde er in aller Ruhe die Schubladen und sein Gepäck durchsuchen. Irgendwo musste es ja sein.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne wieder nach Rennes-le-Château zurück«, meldete sich Jean zu Wort. »Ich kann Ihnen dort noch schnell den Grabstein der Marie de Negre d´Ables zeigen, über den wir sprachen, aber dann muss ich mich um meinen kleinen Hund kümmern. Der wartet sicher schon auf mich. Ich bitte um Ihr Verständnis!«
»Na klar doch!«, sagte Mike. »Ich fahre Sie zurück.«
»Darf ich mitkommen?«, fragte Feline.
»Sicher!«, stimmte Mike zu.
Jean sah darüber nicht glücklich aus. Für ihn schien Feline ein Fremdkörper zu sein, den er nicht dabeihaben wollte. Schließlich hatte er Mike zugesagt, ihm und nicht einer jungen, scheinbar leichtfertigen Frau, die noch dazu vollkommen unerwartet aufgetaucht war, sein Wissen anzuvertrauen.
Der alte Mann nahm Mike zur Seite und gab ihm zu verstehen: »Ich darf Sie bitten, das Gesagte für sich zu behalten. Das gilt insbesondere auch für Mademoiselle Feline!«
»In Ordnung!«, erklärte er sich einverstanden.
»Sie beide kennen sich erst seit Kurzem?«, fragte Jean Mike.
»Ja!«
»Und Sie halten sie für vertrauenswürdig?«
»Ich denke schon«, antwortete der Journalist. Darüber hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht war sie bisweilen etwas zu aufdringlich, wenn sie mit den Waffen einer Frau daran arbeitete, ihn für sich zu gewinnen. Im Großen und Ganzen hatte sie sich bislang aber als zuverlässige Fremdenführerin erwiesen, die noch dazu ausgesprochen nett und hilfsbereit war.
Jean hatte sich offensichtlich dazu entschieden, Mikes Einschätzung nicht zu kommentieren.
»Dann lassen Sie uns fahren!«, bat er ihn stattdessen und rief nach Caroline, um sich von ihr zu verabschieden. Dabei schien er ihr noch etwas zuzuflüstern, das sie mit einem dezenten Kopfnicken aufnahm.
Mike und Feline unmittelbar hinter sich, ging er schließlich zum Wagen und wartete darauf, dass sie einsteigen konnten.
Die kurze Fahrt nach Rennes-le-Château nutzte Jean dazu, Feline näher kennenzulernen.
»Sie kommen aus Rennes?«, fragte er.
»Oui, ich bin dort aufgewachsen.«
»Ihre Eltern sind ebenfalls von dort?«
»Ja, beide!«, erklärte Feline.
»Sie leben aber alleine?«
»Ja!«
»Und Ihre Eltern?«
»Meine Mutter wohnt ganz in der Nähe. Mein Vater ist derzeit geschäftlich im Ausland unterwegs.«
»Im Ausland? Interessant!«, sagte Jean. »Und was genau ist Ihr Vater von Beruf?«
»Wir haben eine eigene Firma, die Zubehörteile für den Bau von Kraftfahrzeugen herstellt«, sagte Feline, der die ständigen Nachfragen des alten Mannes langsam aber sicher auf die Nerven gingen, auch wenn sie sie zunächst weiter höflich
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