Es wird Dich rufen (German Edition)
hat das Geheimnis also doch etwas mit dem Schatz der Merowinger zu tun?« Von den fünf Dokumenten verwiesen immerhin bereits drei darauf.
Doch Jean wollte auf diese Frage nicht eingehen.
»Wichtig ist für uns vor allem, dass der Schatz den Tod bedeuten kann!«, erklärte der alte Mann. »Und genau das ist der Punkt, bei dem der Hinweis ins Spiel kommt, dass er nur für Priester gedacht ist, denn nur ein echter Priester ist in der Lage, sich diesem Schatz gefahrlos zu nähern. Nur ein Priester! Denken Sie an den Fluch, der jeden trifft, der nicht würdig ist!«
Mike schmunzelte. Erneut kamen ihm die Geschichten von Schatzsuchern und ihren Strapazen in den Sinn, wie sie alle nur erdenkbaren Fallen und Hindernisse zu überwinden hatten, bis sie endlich zum Objekt ihrer Begierde gelangten. Er mochte gar nicht daran denken, dass es auch in der Realität einen solchen Schatz gab. Hier, in Rennes-le-Château. Und doch schien genau das der Fall zu sein.
Wurde der Schatz durch einen Weg voller tödlicher Fallen geschützt, die nur ein Priester überwinden konnte – möglicherweise, weil nur er sie dank seines religiösen Hintergrundwissens umgehen konnte, ohne dass ihm etwas zustieß? Was aber hatte das alles mit Jerusalem zu tun? Mit einer Stadt in einem weit entfernten Land?
»Darüber gibt es sehr viele Theorien«, erzählte Jean. »Am gängigsten ist die Idee, dass der Jerusalemer Tempelschatz über die Römer und die Goten in diese Region gelangt ist. Ich persönlich halte das für möglich, denn wir wissen, dass die Römer unter Kaiser Titus den Jerusalemer Tempel geplündert haben. Es gibt sehr zuverlässige Quellen. Der Tempelschatz war in Rom – bis zur Plünderung der Ewigen Stadt durch die Goten unter König Alarich. Danach wurde der Schatz ins Languedoc gebracht hat. Und dass Rhedae neben Carcassonne und Toulouse eine ganz wichtige Festungsstadt der Goten war, das wissen Sie inzwischen ja schon.«
»Das würde dann aber doch bedeuten, dass es sich bei dem Geheimnis um zwei verschiedene Schätze handelt?«, fragte Mike. »Den Schatz der Juden und den Schatz der Merowinger?«
»Schätze, die möglicherweise denselben Ursprung haben, die also vielleicht ein einziger Schatz sind, der nur in verschiedener Weise beschrieben wurde.«
Und der sich in oder nahe Rennes-le-Château finden ließ, dachte Mike.
Endlich war Jean auf den Punkt gekommen. Und ganz allmählich begriff der Journalist auch, warum es Menschen gab, die für diese Dokumente selbst vor einem Mord nicht zurückschreckten.
Eine Höhle voller Schätze. Das klang nach einem großen Abenteuer und – so ganz nebenbei – auch wesentlich realistischer als die Suche nach einem üblen Dämon.
So interessant sich die mysteriöse Geschichte um Abbé Saunière schon zuvor angehört hatte, durch die Manuskripte und deren geheime Botschaft schien sie noch viel fesselnder zu werden; hielt Mike doch in gewissem Sinne eine Schatzkarte in der Hand, die nur darauf wartete, geknackt zu werden. Walter Stein würde begeistert sein, wenn er ihm das alles erzählte.
»Und was hat es mit dem anderen Dokument auf sich?«, erkundigte sich Mike nach dem großen Manuskript. »Ich vermute, dass das Versteck darin detaillierter beschrieben ist?« Etwas anderes würde jedenfalls keinen Sinn ergeben.
»Wir werden das später vertiefen«, blockte der alte Mann jedoch ab, nachdem er durch die offene Verandatür des Hotels Feline sah, die sich den beiden Männern näherte.
»Wo hast du denn gesteckt?«, fragte Mike überrascht, als auch er sie erblickte.
»Na, hör mal«, antwortete sie entrüstet. »Ich war in deinem Zimmer und habe geduscht. Hast du das schon vergessen?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Mike. »Nur war ich vorhin oben. Das Wasser lief noch, aber du warst nicht mehr da!«
»Das Wasser lief noch?«, rief sie erschrocken aus. »Oh, mein Gott! Das habe ich ja total vergessen!«
Mike schüttelte den Kopf. »Das ist nicht dein Ernst?«
»Ich wollte noch sauber machen, als ich fertig war«, erklärte sie.
»Dann habe ich plötzlich Schritte im Zimmer gehört. Ich dachte, du bist meinetwegen zurückgekommen, aber bis ich nachschauen konnte, warst du schon wieder weg. Plötzlich klingelte dann noch mein Handy und ich ging schnell nach draußen. Als ich zurückkam, war die Zimmertüre zu. Dann habe ich dich gesucht, aber nirgends gefunden. Und jetzt sehe ich dich hier auf der Terrasse mit – äh, … Verzeihung, ich habe Ihren Namen wieder
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