Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
sein Gewehr holen sollte. Dad sagte: »Du kennst die Regeln, Daniel. Keine Ahnung, warum wir gutes Geld einfach so auf ein krankes Kalb verschwenden sollen. Milch und Antibiotika kosten ziemlich viel.« Ich wusste, er hatte recht. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich so lange mit der Pommie mitgezogen hatte. Dad sagte ihr, dass es grausam sei, Dingo weiterleben zu lassen. »Er wird sich nie erholen«, sagte er. Die Pommie stand einfach so da, schweigend, als ob sie heulen wollte, aber nicht konnte. Ich fühlte mich schlecht ihretwegen. Irgendwie schuldig. Lloyd brachte das Kalb auf den Hof und band es an einen Pfosten. Dann lud er sein Gewehr, legte es an die Schulter und schoss Dingo in den Kopf.
Das Kalb klappte im Sand zusammen und eine kleine Blutpfütze färbte den unteren Teil des Pfostens.
13
DAD SAGTE, LIZ MÜSSE DINGO auf die Tierhalde fahren. Keine Ahnung, warum, aber ich sagte, ich würde es tun. Das hieß, ich musste die Haut vom Haken machen, damit ich das tote Kalb hinten auf den Alten Rover laden konnte. Dad sagte, ich sollte Dingo zuerst auf die Halde bringen, weil er einen verseuchten Kadaver nicht länger als nötig auf dem Hof behalten wollte.
Bei meiner Rückkehr war es schon zu dunkel, um mit der Haut zur Müllhalde zu fahren, also schaute ich nach Buzz. Liz war bei ihm im Kälberpferch. Ich fragte mich, was sie da machte. Sie hatte geweint, das merkte ich. Sie versuchte, ihr Gesicht vor mir zu verstecken. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich fragte, ob sie okay war. Sie nickte mir mit dem Hinterkopf zu. Buzz versuchte, uns zu schubsen, er schien spielen zu wollen. Er konnte ganz schön anstrengend werden, wenn er nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand.
Manchmal war es gnädiger, ein verletztes Tier zu töten, als zu versuchen, ihm zu helfen, wollte ich ihr erklären, aber dann kam nur raus: »Dingo wäre sowieso gestorben.« Das war, als hätte ich sie mit den Worten geschlagen. Mit nassen Wangen ging sie auf mich los und zischte: »Wie würde es dir gefallen, wenn sie Buzz erschießen würden?«
Darauf war ich nicht gefasst gewesen und ich wich ein Stück zurück. Buzz legte die Ohren an, als ob er gehört hätte, was sie gesagt hatte. »Ich würde es nicht zulassen«, sagte ich, halb zu ihr, halb zu Buzz. Sie starrte mich an, dann schaute sie auf den Boden, als wisse sie, dass es stimmte, was ich gesagt hatte. Dann sagte sie leise, sie wolle nach Hause. Mein Magen spielte verrückt, ich wollte nicht, dass sie ging. Sie sagte, sie wünschte, sie wäre nie nach Australien gekommen, sie fand es schrecklich auf der Rinderstation, wo sie niemanden hatte, mit dem sie reden konnte. Ich fühlte mich mies. Mir fiel wieder ein, wie besorgt ich gewesen war, als Buzz weggerannt war – mir war ganz schlecht geworden. Für Dingo hatte die Pommie wohl ganz ähnlich empfunden.
Die Pommie schaute zum Himmel hoch, sie fand unsere Sterne ziemlich dick und rund. Wie Kieselsteine, meinte sie. Sie sagte, die Luftverschmutzung würde sich wie eine Haut über die Städte ziehen, und weil es so was in der Wüste nicht gab – und auch keine Straßenbeleuchtung –, wirkten die Sterne heller. Ich wusste nicht, ob das stimmte, aber seitdem hab ich ab und zu darüber nachgedacht, und ich finde, es klingt sinnvoll. Die Pommie sagte, wir hätten andere Sterne als in England, weil nämlich Australien auf der südlichen Halbkugel liegt. Sie sagte, wir würden auf ein anderes Stück der Galaxie schauen oder so. Das hatte ich noch nie gehört. Sie sagte auch, unsere Jahreszeiten wären andersrum, also, wenn wir unseren Sommer hatten, war es in England Winter. Da musste ich an Jonny denken. Ich fragte mich, ob es im Himmel wohl auch eine nördliche und eine südliche Hemisphäre gab, und ob er in unserer bleiben musste oder wie die Jahreszeiten frei herumstreifen konnte.
Ich fragte Liz, ob sie Geschwister hatte. Hatte sie nicht, nicht wirklich. Nur eine Stiefschwester, die sie hasste, sagte sie. Ihre Mum und ihr Dad waren geschieden. Schon ewig. Sie hatten sie ins Internat geschickt, dann auf die Universität und nach ihren Prüfungen war sie nach Australien gefahren – nur um was vorzuhaben.
Wir schlossen Buzz und die Kälber für die Nacht ein, dann gingen wir zusammen zum Haus. Sie schaute auf den Pfosten im Hof, an den Lloyd Dingo gebunden hatte, doch sie blieb nicht stehen. Dann sagte sie total unvermittelt: »Bevor der Viehtrieb vorbei ist, wirst du Onkel sein.« Keine Ahnung, warum sie
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