Es wird Tote geben
versagten und ihm die Sache überließen. Unprofessionell, eitel, machohaft war das, natürlich. Doch wie schon Staud angedeutet hatte: Würde Kapitän Ahab freien Willens einbeinig in die Rente hoppeln und sich die finale Schlacht gegen den weißen Wal nehmen lassen? Never ever, Starbuck! Und Warnungen wie die des alten Elija, dass dieser Kampf den Untergang bedeuten konnte, hatte Schäfer immer schon in den Wind zu schlagen gewusst wie die Bedenken Bergmanns.
Pünktlich zu Dienstschluss verließ Schäfer den Posten. Fünfzehn Minuten später spuckte er in seine Schwimmbrille, wusch sie aus und glitt ins Sportbecken des Freibads. Zwanzig Längen. Dann eine Verschnaufpause am Beckenrand. Das Gummiband der Schwimmbrille saß zu eng. Er nahm sie ab. Und sah Simon Graber vor sich.
„Herr Schäfer, grüß Gott.“
„Was machen Sie hier?“
„Ähm, schwimmen … wie Sie auch, für unseren Teich ist es ja leider zu spät …“
„Sie kennen meinen Teich?“
„Ja, ich habe Sie gesehen …“
„Wann?“
„Sonntag vor einer Woche.“
„Verstehe“, erwiderte Schäfer, „war ein anstrengender Tag heute, oder?“
„Sie meinen Ihre Kollegen?“
„Ja, auch …“
„War nicht so schlimm“, Graber sah sich um, „die machen ja nur ihre Arbeit.“
„Richtig … Ihrer Schwester geht’s so weit gut?“
„Na ja, geschockt ist sie schon … ist ja kein Wunder …“
„Nein, versucht ja nicht jeden Tag jemand, einen umzubringen.“
„Vielleicht war es ja auch nur ein Fehler an der Technik?“
„Kennen Sie sich damit aus?“
„Glauben Sie mir, wenn ich Nein sage?“
„Ich“, Schäfer setzte sein Brille auf, „ich habe noch zehn Längen vor mir.“
Auf dem Weg nach draußen ging Schäfer den Bademeister an. Das Wasser wäre schon so trüb, dass man kaum zwei Meter sähe. Außerdem hätte er keine Lust, bei jedem Zug ein langes Haar oder ein Pflaster in den Mund zu bekommen. „Tauscht das Wasser oder ich nehme morgen eine Probe fürs Labor mit“, raunte er dem Mann zu, während er sich die Haare trocken rubbelte. Gut, irgendwo musste er ja sein Plansoll als Hüter der Lebensqualität erfüllen.
Als Schäfer in seine Straße einbog, fiel ihm ein, dass Sanders ihn zum Abendessen ins Antinori eingeladen hatte. Lust auf Menschen hatte er wenig, Hunger viel. Im Geiste öffnete er seinen Kühlschrank. Dann den Vorratsschrank. Er machte kehrt.
„Major Schäfer!“, rief eine Stimme, als er das Restaurant betrat. Sanders, der mit dem Produzenten und dem Regisseur an einem Ecktisch saß.
„Ah, sieh an!“, meinte Schäfer euphorisch, als wäre er zufällig hier, „die Schöpfer von Schorf & Kot , nein, Schrot & Korn “, worauf der Drehbuchautor in ein verhaltenes Kichern verfiel. Diese Deutschen waren wirklich mit der seichtesten Pointe zu erheitern.
„Gregor, rück mal rüber“, tönte der Produzent und rief gleich darauf dem Kellner zu: „Der Herr geht auf uns!“
„Danke, aber das darf ich nicht annehmen … in Österreich gibt es mittlerweile sehr strenge Korruptionsbestimmungen.“
„Ja, habe ich gehört von … geht euer ehemaliger Innenminister jetzt wirklich in den Bunker? Das wär’ ja mal ’n Ding!“
„Wenn, dann nur in ein Gefängnis, das er sich von der Firma seines Cousins hat bauen lassen … danke.“ Schäfer nahm die Speisekarte entgegen. „Und, was steht morgen am Drehplan?“
„Hammerszene!“, antwortete der Produzent, bevor der Regisseur einen Laut herausbrachte. „Saskia rastet voll aus, weil ein Verdächtiger Beweismittel gestohlen hat … fährt sie also hin zu dem Verdächtigen und gibt ihm erst mal mächtig eins auf den Rüssel …“
„Dann wird sie suspendiert und ermittelt auf eigene Faust weiter, wobei ihr der heimlich in sie verliebte Mister Korn gerne weiterhilft, obwohl er damit seine Karriere aufs Spiel setzt.“
„Auf ’n Punkt! … is’ er nicht ’ne Wucht!?“, bellte der Produzent und schlug dem Regisseur auf die Schulter.
„Ich hab ja auch das Drehbuch gelesen“, log Schäfer. „Das Thunfischcarpaccio und danach die Gnocchi von der Tageskarte.“
„Ja … und dann geht ja erst richtig die Post ab, das wird dann richtig thrillermäßig … ’n touch von Seven … ist ’n Knaller, oder?“
„Sicher … hat ja auch Herr Sanders geschaffen.“ Schäfer schaute zum Autor, der es vorzog, sich seinem Oktopussalat zu widmen.
„Kommen Sie vorbei“, brachte der Regisseur ein, „Gregor hat mir gesagt, dass Sie vielleicht sogar an
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