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Escape

Escape

Titel: Escape Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rush
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sie ja genau das getan. Ihr habt doch die ganze Zeit über Präparate bekommen. Und die Protokolle... Wir haben eure Fortschritte dokumentiert...«
    Sam hatte das letzte Teil zurück an seinen Platz geschraubt. »Die Erinnerung setzt bei jedem Einzelnen von uns zum exakt gleichen Zeitpunkt wieder ein. Wenn die Amnesie nur eine Nebenwirkung der Behandlung wäre, müsste es da doch Unterschiede geben. Für mich klingt das nach Gehirnwäsche.«
    Gelöscht. Das Wort hatte ich doch gestern Abend in Sams Akte gelesen. Obwohl ich es nicht glauben wollte, ergab dies allmählich doch immer mehr Sinn.
    »Aber was hat das mit mir und meiner Mutter zu tun?«
    Er schaltete das Schwarzlicht wieder ein, das nun zwischen uns strahlte. »Ich weiß es nicht. Aber wenn deine Mutter irgendwie mit der Sektion verknüpft war, dann gilt das Gleiche für dich. Und wir müssen den Grund dafür herausfinden.«
    Ich seufzte und rieb mir mit den Handgelenken die Augen. Ich wollte nichts mehr hören, kein weiteres Wort. Darum murmelte ich, dass ich müde sei, und kroch ins Bett. Ich wollte allein sein, um wieder ein bisschen Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Wobei das gar nicht möglich war. Sam hatte eine Menge guter Fragen aufgeworfen, denen ich mich einfach nicht stellen wollte. Und das alles war von einer nichtigen Kleinigkeit ausgelöst worden. Der Kleinigkeit, dass die Handschrift, mit der die Nachricht an Sam verfasst worden war, der Schrift meiner Mutter zum Verwechseln ähnelte. Aber vielleicht war es ja doch nur Zufall. Vielleicht sahen wir da einen Zusammenhang, den es gar nicht gab.
    Ich brauchte Ruhe. Morgen früh würde ich wieder klarer sehen.
    Doch so lange blieb mir nicht. Schon zwei Stunden später stupste Sam mich an. »Steh auf«, sagte er. »Ich habe etwas gefunden.«

11
    Ich stützte mich auf einen Ellbogen. »Was ist los?«
    Mondlicht fiel auf das Fußende meines Bettes. Es war die einzige Lichtquelle im Zimmer. Ich konnte Sams Gesicht über mir kaum ausmachen.
    »Komm mit ins Bad.«
    Ich kroch langsam unter der Decke hervor. Außer Sam und mir war niemand im Zimmer. »Wo ist Cas?«
    »Der holt die anderen.«
    Ich schlurfte hinter Sam her. Als wir beide im Bad waren, schloss er die Tür. In der absoluten Dunkelheit verlor ich jeden Orientierungssinn. Ich mochte kleine, dunkle Räume nicht, und das Bad war wenig größer als eine Kammer. Ich wankte rückwärts und rammte gegen den Handtuchhalter. »Was soll das?«
    Das Schwarzlicht flackerte und beleuchtete dann schwach die scharfen Kanten von Sams Gesicht. »Ich tu dir nichts«, sagte er und klang fast beleidigt. Er drückte mir die Lampe in die Hand, zog sich das T-Shirt über den Kopf und warf es in das Waschbecken. »Leuchte damit mal auf meinen unteren Rücken.«
    Ich stand dort eindeutig viel zu lange wie festgenagelt. Während ich von der Lampe in meiner Hand immer wieder zu Sams nacktem Rücken blickte, war ich davon überzeugt, in einer Traumwelt gelandet zu sein.
    So nah war ich Sams Tätowierung noch nie gewesen. Von den Baumspitzen bis zu den Grasbüscheln erstreckte sich sein Tattoo über den Großteil seines Rückens und seiner Arme. Wer auch immer diese Arbeit ausgeführt hatte, er hatte alles perfekt schattiert und die feinen Details der sich stellenweise abschälenden Birkenrinde originalgetreu abgebildet. Ich konnte nur einen Fehler finden: Die langen Schatten, die die Bäume warfen, waren schlichtweg falsch. Größe und Form stimmten nicht mit den Bäumen überein, und die Schatten der beiden Birken links gingen ineinander über, während die zugehörigen Bäume sich nicht mal berührten.
    Ich bewegte das Licht langsam über die Tätowierung, wie Sam verlangt hatte. »Wo soll denn hier was sein?«
    »Such mal im Gras.«
    Ich beugte mich ein bisschen vor. »Ich finde nichts -« Etwas leuchtete in dem fahlen Licht und ich atmete geräuschvoll ein. Die Schrift war winzig und schon sehr verblichen, doch sie leuchtete wie die fluoreszierenden Armbänder, die alle Kinder bei der Parade zum Unabhängigkeitstag tragen.
    »Wie ist das denn möglich?«, staunte ich.
    »Mit einer speziellen UV-Farbe. Die wurde nachträglich über die sichtbare Tätowierung gestochen. Lies mal vor«, sagte Sam. »Bitte.«
    Die Striche waren über die Jahre undeutlich geworden, die Buchstaben verschmolzen, doch es gelang mir, das erste Wort zu entziffern. »Rose. Rose irgendwas.«
    Ich hörte, wie sich die Zimmertür öffnete, und dann drangen Stimmen durch die Badezimmertür.

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