Escape
durch die Nacht.
Trev.
Wir rannten zum hinteren Teil des Friedhofs. Ich duckte mich unter einem keltischen Kreuz hindurch und blieb hinter den Jungs zurück. Über uns rieben sich knarrend die nackten Äste eines alten Baums im Wind aneinander. Er blies mir die Haare ins Gesicht, und als ich mich umdrehte, stand da Sam.
»Was hast du gefunden?«, fragte er, das Mondlicht spiegelte sich in den Schweißperlen auf seiner Stirn.
Trev deutete auf einen kleinen Grabstein aus Granit, dessen Vorderseite glänzte und glatt war. »Da fehlen die Daten.«
Ich las die Inschrift - Samuel Cavar - und keuchte. »Samuel Cavar ist einer deiner Decknamen«, sagte ich zu Sam. »Der stand in deiner Akte.«
»Cavar ist Spanisch«, erwiderte er, »und bedeutet graben.«
Cas schob die Ärmel hoch. »Also gut, amigos, dann heißt es wohl: cavar, was das Zeug hält.«
12
Sam war in einen Schuppen im hinteren Teil des Friedhofs eingebrochen, wo er zwei Schaufeln gefunden hatte. Cas, Trev und Nick wechselten sich an dem einen Spaten ab und schaufelten neben Sam, der sich bisher nicht hatte ablösen lassen. Sein T-Shirt war schweißdurchtränkt, seine Hose schmutzverkrustet. Wenn er vor Jahren wirklich etwas hier vergraben hatte, dann sehr tief. Nur noch sein Kopf und seine Schultern ragten über den Rand der Grube.
»Ihr buddelt da aber keine Leiche aus, oder?«, fragte ich und knipste die Taschenlampe aus. Der Himmel hatte einen kühlen Grauton angenommen und die Sonne drohte bald am Horizont zu erscheinen.
»Das bezweifle ich stark.« Er wuchtete weitere Erde auf den Haufen und rammte die Schaufel erneut in den Boden. Ein Geräusch erklang, als Metall auf Metall stieß. Cas warf seinen Spaten beiseite und ging auf die Knie. Er und Sam entfernten die feuchte Erde und zum Vorschein kam eine Kiste.
Ich lugte von oben in die Grube.
»Was ist das?«, fragte Trev und verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
Sam legte beide Hände auf den Rand der Grube und drückte sich hoch. »Gib sie mal her«, sagte er zu Cas.
Cas nahm die Kiste und reichte sie ihm. Ich hockte mich neben Sam, der mit ein bisschen Mühe den Deckel aufbekam. Die Scharniere waren rostig und voller Schlamm, doch als er sie erst mal gelockert hatte, gaben sie nach und den Inhalt frei. In der Kiste lagen ein Schlüssel und ein Stapel zweifach gefalteter Seiten, der mit einem Faden zusammengebunden war. Sam löste den Faden und blätterte durch die Dokumente, auf denen er schmierige Fingerabdrücke hinterließ.
Das Papier war alt und brüchig, doch die Schrift noch gut lesbar. Ich konnte mich nicht zurückhalten, über Sams Schulter mitzulesen. Adrenalin schoss nur so durch meine Adern. Das war es. Danach hatten wir seit gestern gesucht.
Wenn ich das richtig sah, war es ein Eigentumsnachweis über ein Haus, was auch den Schlüssel erklären würde. Ich überflog die weiteren Angaben. Die Adresse: Whittier, Michigan. Als Besitzer war ein Samuel Marshall eingetragen. Wahrscheinlich ein weiteres Pseudonym. Deshalb schoss mir plötzlich die Frage durch denn Kopf: Wie war denn nun sein richtiger Name?
»Sagt dir das was?«, fragte ich.
»Nein.«
»Aber es bedeutet irgendetwas, oder? Ich meine, das ist unser nächster Schritt.«
Er nickte kaum merklich.
Hinter uns füllten die Jungs das Loch in einem Bruchteil der Zeit, die es gekostet hatte, es auszuheben. Cas und Trev klopften die Erde platt. Nick erschien neben Sam. »Und, was hast du gefunden?«
Sam hielt ihm das Papier hin. »Ist vielleicht ein sicherer Unterschlupf.«
»Ach, so wie der letzte?«
»Niemand zwingt dich, bei uns zu bleiben, Nick. Du kannst jederzeit verschwinden, wenn du willst.«
Nick lehnte sich gegen den Stamm eines nahe gelegenen Baums und verschränkte die Arme vor der Brust.
Während Trev sich darum bemühte, den fein ausgestochenen Rasen wieder über das nun zugeschüttete Loch zu legen, verschwand Cas mit den Worten: »Ich geh mal pinkeln.« Sam brachte die Spaten zurück in den Schuppen, weshalb ich mich plötzlich in der unschönen Lage befand, allein neben dem schmollenden Nick zu stehen.
»Ich glaube, er gibt sein Bestes.« Der Satz wurde von weißen Wölkchen begleitet, die mein Atem verursachte.
Nick schob die Hände in die Hosentaschen. Ihm musste kalt sein, so ohne Jacke. »Selbsterhaltung ist wichtiger als diesen bekloppten Hinweisen nachzujagen, als wäre das alles ein beschissenes Ratespiel.«
»Aber es ist schwierig, sich selbst zu schützen, wenn man nicht
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