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Escape

Escape

Titel: Escape Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rush
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konnte, fuhr er fort: »Ich wollte nicht, dass du es so erfährst.«
    »Dad«, setzte ich an, doch sprach nicht weiter. Er war ja gar nicht mein Dad.
    »Ich wollte dir nicht wehtun.«
    Hast du aber, dachte ich. Du und Trev.
    Ich kratzte mein letztes bisschen Würde zusammen und legte Härte in meine Stimme. »Darüber können wir später reden. Jetzt braucht Nick deine Hilfe.«
    »Seid ihr in Michigan?«
    »Ja«, sagte ich nach einer Pause. Wenn er mich auslieferte, lieferte er mich aus. Das Risiko musste ich eingehen. »Wir haben das Haus gefunden. Mein früheres Zuhause. Nick und ich sind in den angrenzenden Wäldern, eine Nebenstraße weiter. In einer Scheune.«
    »Ich werde eine Weile brauchen, bis ich bei euch bin. Ich bin sofort nach meiner Entlassung zu dem Haus in Pennsylvania gefahren, da wimmelte es nur so von Polizisten.«
    Ich seufzte. »Ja. Hm. Sam hat da aus Versehen einen Polizisten geschlagen.«
    Dad stöhnte. »Das sieht ihm ähnlich.«
    »Wann kannst du hier sein?«
    »In ein paar Stunden. Vielleicht in sechs.«
    Sechs Stunden? So lang hatte Nick vielleicht nicht mehr. Und ich hielt es keine Sekunde länger in unserem Versteck aus. Klaustrophobie hatte mich in dem Moment gepackt, in dem ich hier runtergeklettert war. Je länger ich blieb, desto schlimmer würde sie noch werden.
    »Beeil dich, bitte.«
    »Mach ich. Ich versprech's dir. Bleib, wo du bist.«
    Ich warf einen Blick zu Nick. »Keine Sorge, ich geh nirgendwohin.«
    *** 
    Ich behielt die Uhr des Mobiltelefons im Blick und wartete nach dem Auflegen fünfundvierzig Minuten. Wenn ich jetzt nicht sicher war, dann würde ich es nie sein, dachte ich mir. Also wollte ich es riskieren, das Versteck zu verlassen. Außerdem musste ich mal.
    Es dauerte ein bisschen, bis ich die Bodenbretter hinausgestemmt hatte, weil ich nicht den richtigen Ansatzpunkt fand. Doch als sie endlich nachgaben, sprang ich nur so aus dem Loch, als wäre ich kurz davor gewesen zu ersticken. Genauso sog ich auch die frische Luft ein. Ich schaute noch einmal kurz nach Nick, bevor ich die Scheune verließ. Er war nicht wieder zu sich gekommen, aber er atmete noch regelmäßig.
    Ich hockte mich hinter die Scheune und flitzte so schnell wie möglich wieder zurück. Drinnen setzte ich mich neben das Loch auf den Boden und stupste Nick an. Er murmelte etwas, bevor er wieder ganz still wurde. Eine ganze Weile blieb ich so sitzen und hielt Wache. Gegen sechzehn Uhr stand ich auf und schlenderte zu den glaslosen Fenstern im vorderen Teil der Scheune. Das Unwetter war endlich abgezogen, von ihm zeugte nur noch die matschige Erde. Ich begann, in Gedanken meine Umgebung zu zeichnen, so als wäre es wichtig, jede einzelne Farbe zu benennen, damit ich später Sam genau davon erzählen konnte. Aber was, wenn das nie wieder möglich war? Was, wenn ich ihn nie wiedersehen würde?
    Bei dem Gedanken wurde mir ganz schlecht.
    Das leise Knirschen von Reifen auf Schotter drang durch die Luft. Ich zog mich vom Fenster zurück und spähte durch einen Spalt in der Wand. Am liebsten hätte ich Dad auf dem Handy angerufen, doch dann fiel mir seine Warnung wieder ein und ich steckte das Telefon schnell weg. Stattdessen beobachtete ich ihn aus meinem Versteck. Er stellte den Wagen am Weg ab und schaltete den Motor aus. Zu meiner großen Erleichterung war er allein, obwohl ich immer noch halb damit rechnete, dass jederzeit Riley aus dem Gebüsch sprang.
    Dad lief über das Feld und humpelte dabei merklich. Innerlich zuckte ich zusammen, weil ich sofort wieder an den furchtbaren Tag im Labor denken musste, an dem Sam auf ihn geschossen hatte.
    »Anna?«, rief er.
    Ich steckte meinen Kopf aus der Tür. »Hier.«
    Er zwängte sich zu mir und dann standen wir uns ein wenig verlegen gegenüber. Eigentlich hätte es keinen besseren Anlass für eine Umarmung gegeben. Doch Dad war nicht mein Vater, und selbst bevor ich das wusste, waren wir beide nie groß im Umarmen gewesen.
    Ich deutete auf seinen Oberschenkel. »Wie geht's deinem Bein?«
    »War gar nicht so schlimm, wie es aussah. Ist mit dir alles in Ordnung?«
    Ich hob eine Schulter, wollte ihm alles sagen, was mir durch den Kopf ging. Dass mir alles wehtat, ich kaputt, traurig und verängstigt war. Doch lieber wollte ich, dass er das alles erkannte, ohne dass ich es aussprechen musste. Dass er mich las, wie Väter das eigentlich können sollten. Und damit alles entkräftete, was ich in den letzten Tagen gehört hatte, und alles wieder gut war.
    Aber nichts

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