Esel
bitte nicht.
»Und bei euch?«
»Heute soll es schön werden.« Und ich antworte auch noch.
»Du, ich muss dann los.«
»Ja, ich auch.« Was? Ich muss los? Wie denn?
»Wegen der Mails, kann ich die löschen?«
»Ähm, du …«
»Oder war was Wichtiges?«
»Nee, das hätte ich dir ja gesagt.«
Dabei fällt mein Blick auf den Kühlbeutel, der seinen Aggregatzustand verändert hat. Aus Eis wurde Wasser. Während aus dem Gespräch mit Karin nichts wurde.
»Tja, dann, mach’s gut Björn.«
»Du auch.«
»Wenn irgendwas ist, kannst du dich ja melden.«
»Klar, wenn was ist, melde ich mich.«
Es ist längst was, aber ich kann mich nicht melden. Nicht hier und schon gar nicht per Telefon.
Das Handy landet auf dem kleinen Beistelltisch. Ich richte mich auf und schaue durch das geöffnete Fenster.
Friedhelm brüllt, und ich brülle zurück: »Ich komme!«
27. Friedhelm und ich, alte Freunde, wieder!
Seit einem Tag kann ich wieder so laufen, dass es nicht peinlich aussieht oder wie die billige Imitation eines Pavians mit Bandscheibenvorfall.
Vielleicht bilde ich es mir ein, aber Friedhelm ist noch nie so brav neben mir gelaufen, seit ich wieder auf den Beinen bin. Falls Esel so was wie ein schlechtes Gewissen spüren, dann spürt Friedhelm es in diesem Moment.
Wir beide marschieren allein. Sabine wollte nicht länger auf mich warten, und Plötzen ist auch nicht so schön, dass man zwei Tage am Ort bleiben möchte, nur um darauf zu warten, dass ein weiterer Eselwanderer wieder fit ist.
Ein bisschen komisch ist es schon, so allein durch die Uckermark zu stiefeln. Diese Ruhe hat aber auch etwas Bedrohliches. Als Sabine noch an meiner Seite war, war Ruhe nur eine hypothetische Konstruktion. Jetzt ist sie da.
Vor mir liegt eine Etappe, die sich nicht exakt an der vorgegebenen Route orientiert. Aber wenn sich der Verlauf meiner Reise schon an nichts orientiert, dann muss ich es auch nicht tun.
Heute also – Willmatz, die kleine Gemeinde an der Krassler. Auf dem, laut Prospekt des Fremden- und Touristikvereins, malerischen Fluss findet heute Abend eine Floßfahrt mit Musik und Spaß statt. Beides kann ich gebrauchen. Denn seit Hawaii-Daniel sich zu meinem Karin-Problem gesellt hat, habe ich weder Spaß noch Musik, wobei ich auf Letzteres noch am ehesten verzichten könnte.
Und wenn man sonst niemanden zum Reden hat … »Weißt du, Friedhelm, dieser Daniel ist alles, was ich nicht bin … ich weiß noch genau, als er zum ersten Mal bei uns aufgetaucht ist …
28. Daniel, zum ersten Mal – und gleich zum Abhaken
»… das ist der Daniel.«
Unsere Wohnung war damals das Gegenteil von geschmackvoll, sie war noch nicht mal gemütlich, eigentlich war sie nicht viel mehr als ein Zwischenlager für Möbel, die den Weg zur letzten Ruhestätte noch nicht gefunden hatten. Ein Best-of-Mix aus Schwedenmöbeln und verwandtschaftlichem Sperrholznachlass mit Eichenfurnier. Als ich mich von dem alten Clubsessel erhob, den mein Vater uns netterweise geschenkt hatte, nachdem er ihn mehr als 30 Jahre ein- und durchgesessen hatte, wusste ich sofort, dass dieser Abend keiner werden würde, den man in liebevoller Erinnerung behält.
»Und das ist mein Mann.«
»Björn«, sagte ich frostig.
»Cool.«
Ist das ein Name oder eine Antwort, wollte ich fragen, tat es aber nicht, um der ersten Begegnung von Daniel und mir wenigstens den Hauch einer Chance zu geben.
Daniel reichte mir die Hand. Ich dachte zumindest, es wäre seine Hand. Aber es war nur eine angedeutete Handreichungsgeste. Er spreizte den kleinen Finger und den Daumen ab und ließ dieses seltsame Gebilde, einem stilisierten Posthorn nicht unähnlich, zwei- oder dreimal vor meinen Augen vibrieren. Unter Surfern ist das ein Gruß, für mich war es das erste von vielen Fettnäpfchen.
»Hast du was mit den Händen?«, fragte ich.
Daniel! Daniel! Daniel! So heißen Joghurts oder Jungen mit dem Rückgrat einer weichgekochten Spaghettinudel.
»Das ist ein Surfergruß, Björn.«
Karin! Karin! Karin!
»Tut mir leid, Daniel, mein Mann hat’s nicht so mit den modernen Dingen.«
Ja, das wollte er ganz bestimmt von dir wissen, Karin.
»Willst du was trinken?«
Karin gab die Gastgeberin. Eine sehr einseitige. Ich war nämlich kein Gast, für sie war ich gar nicht mehr da, bildete ich mir zumindest ein. Wer nicht da ist, muss es beweisen. Im Beweisen war ich schon immer gut.
»Hat jemand was gegen Wein?«, fragte ich.
»Ich meinte eigentlich Daniel«, sagte
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