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Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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ich sie überhaupt sprechen will. Ich will mich jetzt nur auf die Floßfahrt vorbereiten, und dann will ich heute Abend Spaß haben. Mit Gundula, ihrem Mann oder sonst wem. Du hast ja auch deinen Spaß mit diesem …
    »Ja?«
    Ich habe das Gespräch tatsächlich angenommen. Das war ich nicht, das war ein Dämon in mir.
    »Ich bin’s.«
    Karin klingt wie immer, ich bemühe mich um das Gegenteil. Ich bin nicht wie immer, also muss ich auch nicht so klingen.
    »Mhm.«
    Das ist ausreichend anders. Wenigstens platze ich nun nicht gleich vor Freude, nur weil Karin mir die Gnade erweist, sich bei mir zu melden. Ich lerne jeden Tag dazu.
    »Alles okay?«, will Karin von mir wissen.
    »Mhm.«
    »Wo steckst du?«
    »Willmatz.«
    »Kenn’ ich. Willmatz an der Krassler, stimmt’s?«
    »Mhm, genau.«
    »Schön da?«
    »Mhm.«
    »Was machst du denn so, Björn?«
    »Och, nichts Besonderes.«
    »Du bist so still.«
    »Ich?«
    »Ja.«
    »Nö, ich bin nicht still, ich bin nur ’n bisschen müde.«
    »Wovon?«
    Wovon! Soll das ein Witz sein? »Vom Wandern.«
    »Das glaub’ ich. Ist ziemlich ungewohnt, oder?«
    »O ja, das ist alles ziemlich ungewohnt.«
    Das ist kein Wink mit dem Zaunpfahl mehr, hier winkt die komplette Chinesische Mauer.
    »Du, keine Frage.«
    Die Chinesische Mauer winkt umsonst.
    Warum sage ich Karin nicht die Wahrheit: Ich bin nicht müde, ich bin sauer. Aber warum bin ich dann so still, wenn man sauer ist, dann darf man nicht still sein. Dann ist das Gegenteil angesagt. Wenn ich bei meinen Schülern so wäre, wie ich es jetzt bin, hätten die mich schon am ersten Tag mit Haut und Haaren gefressen.
    »Was hast du denn heute noch vor?«
    »Ich mach’ gleich eine Floßfahrt.«
    »Echt, du?«
    »Ja, warum nicht?«
    »So mit Musik und Partyfässchen?«
    »Keine Ahnung, wahrscheinlich. Gundulas Mann macht das.«
    »Wer ist denn Gundula?«
    Oh, eine Reaktion. Tja, Karin, jetzt geht es los. The Empire strikes back. Ich bin wieder da!
    »Gundula? Das ist die Wirtin hier von der Luisenmühle. Total nette Frau, haben uns gerade lange unterhalten, super freundlich und so interessiert.«
    »Schön.«
    »Ich hoffe, sie kommt auch gleich mit.«
    »Wenn ihr Mann da auf dem Floß ist, kommt sie bestimmt mit«, sagt Karin.
    »Ja, wäre toll, wenn Gundula mitkommt. Dann könnte ich mich noch länger mit ihr unterhalten, was die alles zu erzählen hat, ist wirklich spannend, ganz bestimmt. Tolle Frau.«
    »Glaub’ ich.«
    Kein Wunder, dass sie nicht reagiert, sie nimmt es gar nicht ernst. Schlimmer noch, sie nimmt mich nicht ernst. Sie weiß, dass ich sie nur provozieren will.
    Na und? Da kann sie doch trotzdem reagieren. Ganz unegoistisch. Nur für mich! Ein Mal! Ist das zu viel verlangt.
    Karin ist meine Frau, und sie ist nicht verhaltensgestört. Wenn einer in diesem Moment verhaltensgestört ist, dann bin ich das. O Mann!
    »Ja, du, dann muss ich mir ja keine Sorgen machen«, sagt Karin.
    Doch! Doch! Doch!
    »Ich hatte ja ein bisschen Angst, dass du dich langweilst«, ergänzt sie.
    »Karin, warum hast du mich in die Uckermark geschickt?«
    Endlich. Die Frage aller Fragen. Die Uckermark-Frage.
    »Ich möchte da jetzt nicht drüber reden, Björn.«
    »Aber ich. Karin, du kannst doch nicht einfach von mir verlangen, dass ich in diese gottverdammte Gegend fahre, ohne mir zu erklären …«
    »Gefällt es dir nicht mehr?«
    »Was?«
    »Ich habe gefragt, ob es dir nicht mehr gefällt?«
    »Das habe ich verstanden, aber darum geht es jetzt doch gar nicht.«
    »Kannst du nicht einfach antworten, war doch eine einfache Frage.«
    Ihr Kommentar klingt spitz, und ich weiß genau, dass es besser ist, dies nicht zu ignorieren. Und noch besser ist es, wenn ich sofort die Schärfe aus meinen Antworten nehme.
    »Doch, es ist schön hier, aber, Karin, versteh mich bitte nicht falsch, darum geht es jetzt wirklich nicht, ich will … ich möchte … ich möchte doch nur von dir wissen …«
    »Björn, ich muss Schluss machen, mein Akku …«
    »Karin?«
    Die Schärfe ist automatisch wieder da.
    »Karin?«
    Mit Luft nach oben.
    »Karin?«
    Aber die Schärfe bringt nichts. Gar nichts. Sie ist weg. Einfach so. Der Akku!
    Ich wähle sofort ihre Nummer. Nicht so, Karin. Nicht die Akkunummer. Wir müssen reden. Jetzt. Sofort!
    »The person you have called …«
    »Kariiiiiiiiiiiiin!«

30. Floßfahrt und Erkenntnisse
    Gerade mal eine halbe Stunde treibt das Floß die Krassler hinab, und mich interessiert nur eine Frage: Wo ist hier

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