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Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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will.
    Immerhin besitzt er ein Ultraschallgerät, meiner Einschätzung nach das einzige im Umkreis von 100 Kilometern.
    »Ein Eselstritt, also?«
    »Ja.«
    »So, so … kommt öfter vor.«
    »Ja?«
    »Mhm … so, was haben wir denn da?«
    Was
wir
da haben, habe
ich
in dreifacher Größe. Damit das mal klar ist.
    Dr. Nachtigall fährt mit dem Schallkopf seines Ultraschalls über meinen Unterleib. Das Sono-Gel, das er vorher großflächig verteilt hat, ist kalt und glibbrig.
    »Auf der rechten Bildhälfte, sehen Sie hier, also da scheint …«
    »Ja?«
    »… da scheint die Tunica Albuginea intakt. Das Hodengewebe scheint homogen zu sein.«
    »Gott sei Dank.«
    »Ja … aber …«
    »Aber?«
    Der Schallkopf fährt weiter, auf der Suche nach einer Bestätigung des ABER . Und er wird fündig, ich ahne es. Ein ABER ist bei einem Arzt fast schon ein Todesurteil.
    »… ja, aber auf der linken Bildhälfte … sehen Sie hier …«
    Ich sehe gar nichts, ich schaue aber auch noch nicht mal hin. Dass diese grauschwarzen Schattenwelten meine Hoden sein sollen, will mir nicht in den Kopf.
    »… hier kann die Tunica nicht mehr dargestellt werden. Das Hodengewebe ist inhomogen.«
    »O Gott, was heißt das?«
    »Das heißt, der Esel hat ganze Arbeit geleistet.«
    Dr. Nachtigall wischt jetzt mit einem Papiertuch die glibbrige Flüssigkeit von meinem Unterleib, als könne er damit gleichermaßen meine Sorgen wegwischen. Das Tuch wandert in einen Abfalleimer, dann wandert der Blick des Arztes ganz langsam vom Unterleib zu mir hoch.
    »Sie haben ein ganz prächtiges Hodentrauma, junger Mann.«
    »Müssen Sie operieren?«
    »Aber nein.«
    Gut. Das ist gut, keine OP , sehr gut.
    »Kühlen, Bettruhe und zur Sicherheit verschreibe ich Ihnen auch noch ein Analgetikum. Sie haben doch Schmerzen, oder?«
    »O ja, die hab’ ich. Wie lange werde ich die denn noch haben?«
    »Schwer zu sagen, ein, zwei Tage bestimmt noch.«
    »Das heißt, die Reise ist für mich zu Ende.«
    »Wo wollen Sie denn noch hin?«
    »Ja, so ein richtiges Ziel habe ich eigentlich nicht. Ich mache eine Eselwanderung.«
    »Wer hatte denn die Idee, Ihre Frau?«
    »Nein.«
    »Sie?«
    »Nein.«
    »Sondern?«
    »Äh, dieses Analgetikum, wo bekomme ich denn das?«
    »Die nächste Apotheke ist in Molchow.«
    Natürlich.
    MAILVERKEHR
    Liebe Karin,
    leider gibt es keine guten Nachrichten. Rufst du mal an? Würde es dir lieber persönlich sagen, okay?
     
    Ich warte …
     
    Dein Björn
     
    Gesendet vom Handy – 18:43 Uhr
    • • •
    Liebe Karin,
    wahrscheinlich checkst du deine Mails nicht, ich schreibe dir dann doch mal eben, was passiert ist. Ich hatte eine sehr unangenehme Berührung mit dem Esel. Es war nicht seine Schuld, wahrscheinlich habe ich ihn erschreckt. War beim Arzt, habe ein Analgetikum bekommen. Langsam geht es besser. Ich hatte viel Glück, der Arzt hier meinte, so was hätte er noch nie gesehen. Wahrscheinlich werde ich den Urlaub abbrechen müssen. An eine Wanderung ist nicht mehr zu denken.
    Wärst du sehr sauer, wenn ich nach Hause komme, ich habe es wirklich versucht.
     
    Dein Björn
     
    Gesendet vom Handy – 19:22 Uhr
    • • •
    Liebe Karin,
    kannst du mich bitte anrufen, ich mache mir echt Gedanken, bitte!
     
    Dein Björn
     
    Gesendet vom Handy – 19:47 Uhr
    • • •
    Karin,
    ich habe wahnsinnige Schmerzen. Wirklich! Ruf doch mal an!
     
    B.
     
    Gesendet vom Handy – 21:34
    • • •
    Verstehe, du bist sauer, aber ich habe mir das hier bestimmt nicht ausgesucht. Dann reden wir eben morgen.
     
    Gesendet vom Handy – 23:49 Uhr

26. Reden, ohne etwas zu sagen, und einiges gekühlt
    Mein Zimmer in Plötzen erinnert mich an das Hotel Phonicia in Valletta, es ist klein, es ist karg, und es hat einen Fernseher, der seinem Namen mehr als gerecht wird. Wer was erkennen will, schaut in die Ferne. Die Bildschirmdiagonale entspricht dem Format einer Sonderbriefmarke. Immerhin versucht diese Pension erst gar nicht, einen Stern oder sonstige Auszeichnungen zu illusionieren. Hier soll man schlafen, aufwachen und weitergehen.
    Aber die Matratze ist gut, an ihr liegt es nicht, dass ich die halbe Nacht wach gelegen habe. Eine Mischung aus Schmerzen und Fragen wirkte bei mir wie ein Red-Bull-Cocktail.
    Karin hat nicht geantwortet. Ich hätte es getan.
    Soll ich sie jetzt anrufen? Wahrscheinlich wird sie sauer sein, es ist noch sehr früh, und wenn ich sie wach mache, wird ihre Laune nicht besser. Allerdings, habe ich nicht das Recht,

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