Esel
mit der wunderbar langweiligen Landschaft. Eine Zeitlang belassen wir es beim Beobachten, und ich glaube, wir denken das Gleiche.
»Was machst du denn so?«, will Steffen jetzt von mir wissen.
»Ich bin Lehrer.«
»Oh, das tut mir leid.«
»Warum das denn?«
»Na ja, Lehrer – Sieben-Tage-Woche, voller Körpereinsatz, miserable Bezahlung, kaum Urlaub …«
»Okay, jetzt hab’ ich’s verstanden.«
Steffen lacht, und ich tue es auch. Er hat ja recht.
»Bist du das erste Mal hier in der Uckermark?«
»Mhm.«
»Und?«
»Schwer zu sagen.«
»Ja, verstehe.«
»Kommst du von hier?«
»Ja. Plötzen.«
»Kenn’ ich.«
»Kurz nach der Wende haben meine Eltern die Luisenmühle gekauft, für kleines Geld. Die haben damals die halbe Uckermark für kleines Geld vertickt. Meine Eltern hatten diese spinnerte Idee, aus der Mühle eine Pension zu machen.«
»Ist doch eine draus geworden.«
»Ja, ja, das schon. Überlebt haben sie es nicht.«
»Das tut mir leid.«
»Schon gut. Jetzt versuchen meine Frau und ich, das Ding zu stemmen.«
»Schwierig?«
»Unter uns? Es ist unmöglich. Wir haben kaum Gäste. Wenn ich hier diese Floßfahrten nicht machen würde, wär’ längst Schichtende.«
»Das tut mir leid.«
»Dir tut aber einiges leid.«
»Tut mir …«
»Ich hol’ uns noch ein Bier.«
Steffen wird unter lautem Gejohle von den anderen Männern in ihrem Pils-Kreis begrüßt, und erst jetzt sehe ich, dass einer von ihnen mir sehr bekannt vorkommt. Ein weiterer Blick genügt, und ich weiß, wer der Mann ist. Schlagartig drehe ich mein Gesicht weg, in der Hoffnung, dass er mich nicht erkennt. Das kleine Glück, das eben noch meine Seele zum Schwingen brachte, macht Platz für einen dicken Brocken Angst – warum muss ausgerechnet Markus mit mir die Krassler auf einem Floß hinabgleiten. Und warum muss ich jetzt auf einmal ganz dringend zur Toilette, die es auf diesem Floß gar nicht gibt.
Warum? Warum? Warum?
Steffen kommt zurück und spürt sofort, dass was nicht stimmt.
»Alles klar?« Diesmal klingt seine Stimme besorgt.
»Ja, ja, alles klar.«
»Wirklich?«
»Nein. Der Typ da hinten, kennst du den?«
Ich zeige auf Markus, der mich noch nicht entdeckt zu haben scheint und in diesem Moment ganz ernst aus der Wäsche schaut, obwohl die Männer um ihn herum sich fast schlapp lachen. Wenn die wüssten, wen sie da in ihrer Mitte haben.
»Die Stimmungskanone da?«, fragt Steffen angemessen leise.
»Genau«, antworte ich, sicherheitshalber noch ein wenig leiser.
»Nee, nie gesehen. Müsste ich?«
»Das ist ein Mörder.«
»Was? Nicht dein Ernst?«
»Doch. Heißt Markus.«
»Woher kennst du den?«
»Vom Eselwandern.«
»Du bist auch einer von diesen Eselwanderern?«
»Ja, warum nicht?«
»Siehst nicht so aus.«
»Danke.«
»Da nicht für.«
Statt weitere Fragen zu stellen, fixiert Steffen nun Markus.
»Sieht nicht so aus, als hätte der irgendwelche Hemmungen«, sagt Steffen.
»Nee, der nicht, seinetwegen habe ich eine ganze Nacht nicht gepennt. Wir mussten in einer Hütte übernachten.«
»Mit ihm?«
»Er war zuerst da, draußen tobte ein Unwetter.«
»Scheiße, ich glaub’, der kommt zu uns.«
Steffen hat recht, Markus hat mich entdeckt. Verdammt.
Wo ist hier die Toilette, ich muss!
»Kennen wir uns nicht?«, fragt Markus.
»Klar, aus der Hütte.«
»Verfolgst du mich?«
»Ich?«
»Red’ ich mit ’nem anderen?«
»Ich bin der Steffen«, bemüht sich der Floßkapitän um Entspannung.
»Schön«, antwortet Markus. »Was ist jetzt, verfolgst du mich?«
»Nein, natürlich nicht, reiner Zufall. Ich bin in der Luisenmühle, und da habe ich von dieser Fahrt hier erfahren.«
»Willst du auch mal ans Ruder«, fragt Steffen.
»Warum das denn?«
»Macht Spaß. Stimmt’s, Björn?«
»Ja, macht echt Spaß, möchtest du?«
Markus möchte nicht. »Was soll ich denn da, ich hab’ ’ne Floßfahrt gebucht und keinen Arbeitseinsatz.«
»Musst ja auch nicht.«
»Wir kommen gleich an Perlau vorbei«, sagt Steffen, ohne sich darüber einen Gedanken gemacht zu haben.
»Ich weiß, vom Fluss aus hab’ ich’s noch nie gesehen.«
Steffen weiß, was Markus meint.
»Ich habe oft auf den Fluss geguckt, von meiner Zelle aus. Dritter Stock, Block zehn, da ging das. Begehrte Aussicht, hat nicht jeder. Die meisten Fenster gehen in die andere Richtung. Scheißblick. Nur Uckermark.«
Steffen und ich nicken.
»Kannst du da langsamer fahren.«
»Das geht nicht«, sagt Steffen.
»Das war
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