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Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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nickt mir dabei zu, als hätte der Duracell-Hase Pate gestanden.
    »Mutter!«
    Ich habe es schon beim ersten Mal verstanden, aber anscheinend ist Markus so angetan von seiner eigenen Erkenntnis, dass er sie gerne für sich und mich wiederholt.
    »Ja, da hätte ich auch drauf kommen können.«
    »Bist du aber nicht.«
    »Natürlich nicht«, sage ich schnell, um ihm nicht das Gefühl zu geben, seine Leistung in irgendeiner Weise zu schmälern.
    »Du denkst an deine Mutter. An jeden verdammten Scheiß, der dich mit deiner Mutter verbindet. JEDEN VERDAMMTEN SCHEISS . Verstehst du das?«
    »Klar, Markus, klar.«
    »Und als ich da gerade diesen …«
    »Zusammenbruch?«
    »Was?«
    ›Zusammenbruch‹ war zu hart. Ein Mensch wie Markus bricht nicht zusammen, ein Mensch wie Markus, der … der … der … verdammt, was zum Teufel soll ich jetzt sagen?
    »als ich gerade diesen Heulkrampf hatte …«
    Genau. Heulkrampf.
    »… woran habe ich da wohl gedacht?«
    »Hühnchen mit Pommes!«
    »Bingo! Genau. Björn, ich sag’ dir, ich hab’ echt schon gedacht, du kriegst null mit. Genau deshalb habe ich geflennt. So schwer war’s doch nun wirklich nicht zu verstehen.«
    »Eigentlich nicht.«
    »Aber du verstehst es?«
    »Natürlich.«
    »Danke, Björn.«
    »Kein Thema.«
    »Ich hab’ Hunger.«
    »Ich glaube, wir bekommen nichts mehr, hat Gundula ja schon gesagt und –«
    »Wenn die nix hat, dann holen wir uns das eben woanders.«
    »Woanders?«, frage ich vorsichtig.
    »Exakt!«
    »Und … an was hast du da gedacht?«

36. Hildes Wildes Schnitzelparadies
    Schon das Schild hat mich abgeschreckt – Internationale Deutsche Küche. Was soll das sein? Schnitzel Taiwan? Pommes Suleika? Frikadelle Ali? Aber noch schlimmer als das Schild ist definitiv das, was wir hier tun. In Halverscheid, zehn Kilometer von der Luisenmühle entfernt, mitten in der Nacht vor einer Frittenschmiede. Einer Wellblechbaracke mit ausgeschalteter Innenbeleuchtung, für die die offizielle Bezeichnung Nahrungsmittelverkauf einer stumpfen und sachlich völlig falschen Behauptung gleichkommt. Markus hat das Schild auf der Rückfahrt von unserem Floßabenteuer gesehen, auch wenn ich ihm das wegen seines Heulkrampfes nicht zugetraut hätte. Meiner Einschätzung nach hatte er während der gesamten Fahrt nur meinen Oberschenkel gesehen. So kann man sich irren.
    Dass Hildes Wildes Schnitzelparadies um diese nachtschlafende Zeit geschlossen ist, versteht sich von selbst. Und ein Blick auf die von innen mit Fett verschmierten Fenster lässt mich hoffen, dass diese Bude auch nie wieder aufmacht. Ich vermute, dass in der gesamten Uckermark weniger Ungeziefer beheimatet ist als im Innenraum dieser lukullischen Frechheit.
    »Und?«, sagt Markus.
    »Das ist Wahnsinn.«
    »Was!«
    »Na, das hier!«
    »Du hältst mich für bekloppt?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Du hast Wahnsinn gesagt.«
    »Diese Situation hier, das ist Wahnsinn. Wenn du da jetzt reingehst, dann ist das strafbar, das ist dir doch klar, oder?«
    »Du hältst mich für bekloppt.«
    »Markus, wann hab’ ich das gesagt?«
    »Ich weiß, dass das strafbar ist, ich bin nicht bekloppt.«
    »Ach so, das meinst du.«
    »Was dachtest du denn?«
    »Is’ jetzt auch egal.«
    »Na dann …«
    Markus beendet das nächtliche Gespräch und schleicht nun um Hildes Wildes Schnitzelparadies herum. Selbst mir als Laien wird sehr schnell klar, wie leicht man in diese Wellblechbaracke einbrechen könnte.
    Könnte! Könnte! Könnte!
    Das nächste Haus liegt ein paar hundert Meter entfernt von uns. Es ist dunkel, wie alles hier um uns herum.
    Markus fuchtelt mit der kleinen Taschenlampe, die er im Handschuhfach des Minivans gefunden hat, vor dem Schloss der Bude herum.
    »Easy.«
    »Markus, bitte, weißt du, was du da riskierst? Nur für so ein blödes Hühnchen?«
    Er schaut mich kurz an: vorwurfsvoll, anklagend, unverzeihlich.
    »Okay, blödes Hühnchen nehme ich zurück. Trotzdem, es gibt nichts auf der Welt, das diese Aktion hier rechtfertigen würde. Nichts.«
    »Machst du dir Sorgen um mich?«
    Ja, das tue ich, irgendwie. Aber das ist doch verrückt. Ich mache mir Sorgen um einen Mörder. Wann habe ich mir zum letzten Mal überhaupt Sorgen um einen anderen Menschen gemacht? Um einen
fremden
Menschen? Ich mache mir noch nicht mal Sorgen um Menschen, die mir nahestehen. Die jemand meiner Obhut anvertraut hat. Das Schicksal meiner Schüler ist mir egal. Ob sie die Schule mit oder ohne Abschluss verlassen –

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