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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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Arabesken,
Rankenwerke, Ornamente überzogen die gesamte Fläche.
    Im
nächsten Moment verschwammen die farbigen Muster vor Fannis Augen zu
rotierenden bunten Scheiben und drehten sich wie Kreisel.
    Hastig
senkte sie den Blick wieder, versuchte krampfhaft, einen bestimmten Punkt auf
dem Boden zu fixieren.
    So
ist er halt, dein Kreislauf, solche Eskapaden wie gestern Abend trägt er dir
nach!
    Während
der Guide des Langen und Breiten die herrlichen Stuckarbeiten und Malereien im
Deckengewölbe pries, auf dies und jenes Detail aufmerksam machte und in den Ahs
und Ohs der Umstehenden badete, hafteten Fannis Augen wie gebannt auf dem
glänzenden Fußboden und entdeckten dort plötzlich zwei Stiefel mit hohem
Absatz, die sich offenbar schwertaten, auf dem polierten Marmorstein Halt zu
finden.
    Fanni
unterdrückte ein Schmunzeln. Sie musste nicht aufsehen, um zu wissen, wer eitel
genug war, bei einer Führung durch die Altstadt von Marrakesch hochhackige
Stiefel zu tragen. Hatte nicht Elke extra bequemes Schuhwerk empfohlen, weil
man in der Medina mit spiegelglattem Marmor ebenso rechnen musste wie mit
schlüpfrig-holprigem Kopfsteinpflaster, das sich bis auf hundert Grad aufheizen
konnte?
    Im
Gegensatz zu Fanni Rot, die Jahr und Tag in Tretern mit Fußbett herumlatscht
und je nach Wetter Baumwoll- oder Stricksocken darin trägt, weiß Gisela eben,
was mondäner Stil ist!
    Was
tut sie sich bloß für Plagen an, dachte Fanni. Und wofür? Für ein paar
flüchtige bewundernde Blicke. Lohnt es sich dafür, Beinvenen zu Tode zu
foltern, Zehen verkrümmen zu lassen, Fersen wund zu scheuern?
    Die
Mode ist doch von jeher ein sadistischer Herrscher, Fanni, besonders in Bezug
auf die Frauen! Denk an die Rokokozeit: viel zu eng geschnürte Mieder, viel zu
hoch aufgetürmte Frisuren, Reifröcke, die nicht einmal ein normales Hinsetzen
zuließen! Wie hat deine Großmutter zu dir gesagt, als du mit fünf Jahren
unbedingt Locken haben wolltest und sie dir mit der Brennschere zuleibe gerückt
ist? »Hoffart muss sich zwicken lassen.«
    Ja,
sagte sich Fanni. Mich hat die Brennschere damals davor bewahrt, später jedem
modischen Schnickschnack zu verfallen. Aber warum nur lassen sich Frauen wie
Gisela derart versklaven?
    Da
wäre wohl noch ein wenig Emanzipationsarbeit zu leisten!
    Auf
dem Weg zum gemeinsamen Gemach der weniger privilegierten Haremsfrauen folgte
Fannis Blick neugierig Giselas Fußbekleidung, die ihr, wie Fanni inzwischen
festgestellt hatte, bis zu den Knien reichte (der Rocksaum zeigte sich erst gut
zehn Zentimeter weiter oben).
    Giselas
Schuhsohlen schlitterten durch den Säulengang wie über eine frisch aufbereitete
Eisbahn.
    Sie
sollte sich vorsichtshalber ein bisschen am Mauerwerk abstützen, dachte Fanni
gerade, als sie neben Giselas unpraktischer Stiefelkreation ein Paar
schnittiger Turnschuhe mit dem Emblem eines weltweit bekannten Herstellers
entdeckte, die sich am Marmor geradezu festzusaugen schienen.
    Fanni
ahnte, zu wem sie gehörten.
    Da
ist unser Schwachstellenanalytiker ja mal richtig fündig geworden! Wie er das
aufgespürte Manko an Giselas Schuhwerk wohl beheben will? Durch rigoroses
Entsorgen der Blutstauförderer?
    Fanni
musste schmunzeln. Sie schaute auf ihre eigenen Füße, die in unauffälligen
Sportschuhen steckten, deren Sohle aus gummiartigem, leicht geriffeltem
Material bestand, das mit dem Marmorboden eine hinreichende Fusion einging.
    »Bitte
zusammenbleiben«, nörgelte Elke, als die Reisegruppe, eng um ihren Guide
geschart, den Bereich des Bahia-Palastes verließ. »Wir werden jetzt zu Fuß
durch die schmalen, verwinkelten Gassen der Medina zur Koranschule gehen, und
ich will keinen von euch verlieren.«
    Die
kleine Schar kam nur langsam vorwärts. Mal blieb der eine vor einer der kleinen
Werkstätten stehen, die handgeknüpfte Teppiche, Schmuck oder Lederwaren
anboten, mal ein anderer.
    Als
die Partie wieder einmal stockte, hatte Fanni reichlich Zeit, eine halbhohe
Tischlampe aus Messing und buntem Glas zu bewundern.
    So
eine würde Leni gefallen, dachte sie und hoffte, irgendwann eine bessere
Gelegenheit zu finden, Mitbringsel einzukaufen. Sie wollte das in Ruhe tun;
nicht hastig, während sämtliche Reisegefährten auf sie warten mussten.
    Wenig
später entdeckte Fanni eine Wandlampe im selben Stil und überlegte gerade, ob
die für Lenis Wohnung nicht besser geeignet wäre, da fühlte sie sich am Arm
gepackt.
    »Fanni,
meine Güte«, rief Antje Horn. »Hubert sagte heute Morgen im

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