Eselsmilch
schwebt ihm die Schweizer Garde vor!
Fanni
drückte seine Hand. »Schau, Sprudel, wir haben inzwischen einen entscheidenden
Vorteil, weil wir gewarnt sind. Wir wissen, dass wir uns vorsehen müssen.«
»Aber
wir stehen ganz allein da«, entgegnete Sprudel. »Wir sollten jemanden ins
Vertrauen ziehen. Die Seegers vielleicht.«
Fanni
winkte energisch ab. »Auf keinen Fall. Überleg doch mal, wo wir vorrangig nach
dem Täter suchen müssen.« Sie gab sich selbst die Antwort. »Innerhalb der
Reisegruppe natürlich. Nur jemand von unseren Mitreisenden kommt dafür in
Frage. Wer sonst hätte die Möglichkeit gehabt, die Anschläge zu verüben?«
»Das
ist es ja gerade«, erwiderte Sprudel. »Wer von unseren Mitreisenden sollte
Grund dazu haben? Abgesehen von Gisela und Olga kannte dich bis vor ein paar
Tagen keiner von ihnen.«
Fanni
ließ den Kopf hängen. Sprudel hatte recht. »Ich weiß«, sagte sie nach ein paar
Augenblicken. »Der Haken an der ganzen Sache ist, dass weit und breit kein
Motiv zu sehen, ja nicht einmal zu erahnen ist. Wie könnte ich, ohne es zu
merken, innerhalb kürzester Zeit jemanden so beleidigt haben, dass er mich
umbringen will? Und auch mit Olga und Gisela, den Einzigen, die mich schon
länger kennen, hatte ich noch nie Unstimmigkeiten. Aber selbst wenn eine der
beiden plötzlich beschlossen hätte, mich zu ermorden, dann hätte sie mich nicht
mit Martha verwechselt. Beide haben ihr ja zugesehen, wie sie mein Tuch
genommen hat.«
Falls
eure Verwechslungstheorie zutrifft! Sich darauf zu versteifen ist wohl keine
gute Idee! Ein guter Ermittler …
… denkt
immer in sämtliche Richtungen – bla, bla, bla, machte Fanni ihre
Gedankenstimme nieder.
Eine
Zeit lang war es still, dann fiel ihr wieder ein, was sie zuvor hatte sagen
wollen. »Wir können Hubert Seeger nicht ins Vertrauen ziehen, Sprudel, solange
wir keinen Beweis dafür haben, dass er nicht hinter den Anschlägen steckt.« Sie
runzelte die Stirn. »Hubert, finde ich, ist fast am wenigsten zu trauen. Wozu
spielt er andauernd dieses alberne Theater? Um von etwas anderem abzulenken?
Von etwas, das keiner wahrnehmen soll?« Sie drückte Sprudels Hand so fest, dass
er leise aufstöhnte. »Außer Olga und Gisela können wir niemandem aus der Gruppe
vertrauen, Sprudel. Aber was wäre damit gewonnen, die beiden einzuweihen?«
Fanni
ließ einige Sekunden verstreichen, doch als von Sprudel keine Erwiderung kam,
fuhr sie fort: »Nichts, vermutlich. Im Gegenteil, es könnte sogar schädlich
sein. Gisela würde womöglich bei ihrem Schwachstellenanalytiker tratschen, und
Olga würde sich so erkennbar Sorgen machen, dass der Täter gewarnt wäre und
noch vorsichtiger zu Werke ginge.«
Sprudel
brütete wieder schweigend vor sich hin.
Langsam
sank die Sonne, und zugleich wurde es empfindlich kühl. Fanni machte Anstalten
aufzustehen, aber Sprudel hielt sie zurück.
»Es
ist beinahe unmöglich, hier und jetzt Ermittlungen anzustellen. Wie, in Gottes
Namen, sollen wir herausfinden, ob jemand aus der Reisegruppe hinter dir her
ist? Wir kennen diese Leute nicht, und unter sich kennen sie sich ebenso wenig.
Wen also sollen wir über … ja, über was eigentlich ausfragen? Solange wir
nicht sagen, weshalb wir Erkundigungen einziehen, werden wir nicht nur
Misstrauen ernten, sondern womöglich auch noch Feindseligkeit.«
Sprudel
hat recht! Heimliches Hintenherumfragen führt in diesem Fall zu nichts! Da muss
man die Karten schon auf den Tisch legen: Fannis Schuhsohlen sind präpariert
worden, sodass sie ganz glatt waren, und außerdem ist Fanni oben an der Treppe
geschubst worden! Wer hat was gesehen? Wer befand sich wo? Und wer befand sich
wo, als Martha …?
Fanni
stand auf. »Wir müssen eben beobachten, hinhören, Augen und Ohren aufsperren.«
Sie schlug den Weg zurück zur Herberge ein. »Und achtgeben.«
»Wanzen
in Zelten und Schlafkammern wären willkommen«, sagte Sprudel.
Fanni
zuckte zusammen. »Glaubst du, es gibt Wanzen in Marokko? Ich hatte es noch nie
mit diesen Biestern zu tun, aber sie sollen wirklich widerwärtig sein.«
Sprudel
lachte glucksend. »Abhörwanzen, Fanni!«
Bevor
sie ihn in die Seite knuffen konnte, nahm er sie in die Arme und hielt sie
fest. So standen sie noch einige Zeit und ließen die allerletzten
Sonnenstrahlen des Tages, die Stille der Berglandschaft, das Bild der sich
immer weiter entfernenden, ruhig weidenden Schafherde wie eine Decke des
Trostes über sich breiten.
Gegenüber
der Herberge teilten
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