Eselsmilch
und Platten mit Brotstücken
blank! Umso erstaunlicher ist, dass er in dem Restaurant in Marrakesch, wo
deine Schuhsohlen präpariert wurden, seinen Nachtisch stehen ließ!
Bei
Tisch kam Fanni neben Bernd zu sitzen. Obwohl sie nun schon fast eine Woche
lang zusammen unterwegs waren, hatte Fanni bisher noch keine Gelegenheit
gehabt, mit Bernd Freise ein persönliches Gespräch zu führen. Das galt zwar
auch für Otto Brügge, doch der war ihr inzwischen dermaßen unsympathisch
geworden, dass sie ihm planvoll aus dem Weg ging, obwohl jede noch so kleine
Information für ihre Ermittlungen hätte wichtig sein können.
»Ich
könnte mir vorstellen«, sagte Fanni und reichte den Tomaten-Mais-Salat an Bernd
weiter, »dass dein Erscheinen in einem Betrieb von der Belegschaft nicht gerade
mit Applaus aufgenommen wird.«
Freise
lachte. »Du hast recht. Fanpost bekomme ich keine.«
»Aber
Job ist Job?«, sagte Fanni fragend.
Bernd
nickte.
»Du
arbeitest als selbstständiger Berater?«, insistierte Fanni.
Wieder
nickte Bernd nur.
Der
lässt sich ja die Würmer einzeln aus der Nase ziehen!
»Immer
schon?«, fragte Fanni.
»Schon
viele Jahre«, antwortete Bernd kurz, fügte aber nach einer Pause unvermutet
gesprächig hinzu: »Es war nicht leicht, sich hochzuarbeiten. Vor den großen
Happen kamen die Brösel, die außer den Reisespesen nicht viel einbrachten. Erst
wenn man sich einen Namen gemacht hat, beißen auch mal dicke Fische an, aber
dann verfolgen einen Komplikationen sogar in den Urlaub.«
»Müsste
deine Berufsbezeichnung nicht ›Unternehmensberater‹ lauten?«, erkundigte sich
Fanni. »Schwachstellenanalytiker klingt so technisch.«
»Und
bezeichnet exakt meine Tätigkeit«, sagte Bernd. »Ich suche nach Schwachstellen –
im Produktionsablauf, im Maschinenpark, im Computersystem und natürlich auch in
der Belegschaft. Erst dann mache ich Verbesserungsvorschläge.«
»Du
musst ja schon viel herumgekommen sein«, meinte Fanni.
Bernd
blinzelte ihr zu. »Bis ins Niederbayerische, wo ich meine große Liebe gefunden
habe.«
Fanni
sah ihn verdattert an. »Gisela?«
Man
brauchte kein Schwachstellenanalytiker zu sein, um zu merken, dass Fanni vor
einem Rätsel stand. Deshalb sah sich Bernd offenbar genötigt zu erklären: »Es
ist schon ziemlich lange her – fünfzehn Jahre, um genau zu sein. Damals
bin ich von Stolzer & Stolzer beauftragt worden, das Unternehmen zu
durchleuchten. Willi Stolzer war sich sicher, dass Umgestaltungen notwendig
seien, wusste aber nicht, welche Richtung man einschlagen sollte. Folglich
benötigte die Firma einen Spezialisten. Für mich war die Lösung auch ganz
leicht zu finden, nämlich dass Stolzer & Stolzer gut daran täte, die
Eigenproduktion einzustellen und sich auf den Handel und den Verkauf an den
Endverbraucher zu konzentrieren. Soweit ich inzwischen erfahren habe, ist
Stolzer damals meinen Vorschlägen gefolgt und nicht schlecht damit gefahren.«
Bernd
schob sich eine Gabel voll Couscous in den Mund, als ihm einzufallen schien,
dass die Geschichte noch eine andere Seite hatte. »Während meines Aufenthalts
damals habe ich als Gast bei den Stolzers gewohnt, und Gisela hat mich unter
ihre Fittiche genommen.« Er legte das Besteck weg und lächelte schmerzlich.
Na
so was! Der Junge hat sich seinerzeit unsterblich in dieses flatterhafte
Frauenzimmer verliebt!
Ganz
leise, mehr zu sich selbst, fügte Bernd hinzu: »Es war ein Traum, ein
herrlicher Traum, und ich wollte nicht, dass er nach zwei Wochen endet.«
»Du
hast Gisela bestürmt, mit dir ein neues Leben anzufangen«, riet Fanni.
Bernd
nickte. »Die Ehe mit Toni, du weißt ja wohl?«
»Gab
es nur auf dem Papier«, bestätigte Fanni.
»Was
hat Gisela gehindert?«, murmelte Bernd wieder zu sich selbst, und es hörte sich
an, als habe er sich diese Frage so oft gestellt, bis sie zu einer Phrase
geworden war.
Was
Gisela gehindert hat, die Bühne zu wechseln? Dass du ein Niemand gewesen bist,
Junge! Einer, der von Firma zu Firma tingelte und in den Betrieben mehr oder
weniger zutreffende Prognosen abgab! Einer mit ungewisser Zukunft! Für so einen
wollte Gisela Stolzer nicht auf das Rampenlicht verzichten, das Stolzer &
Stolzer ihr bot! Selbst wenn es sich nur um eine Provinzbühne handelte, auf der
sie stand!
Fanni
sah Bernd aufmunternd an. »Aber jetzt habt ihr euch wiedergefunden, und der
Traum geht weiter.«
»Ich
hätte Gisela sofort erkannt«, sagte Bernd, »auch wenn mir ihr Name nicht schon
ins Auge
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