Eselsmilch
unbeweglich am Rand der Matte gehockt hatte. »Ihr
übernachtet auf der Neltner-Hütte, da gibt es Platz genug.«
Fanni
warf Sprudel einen Blick zu, der deutlich ihre Erleichterung zeigte. Sie würden
ein festes Dach über dem Kopf haben, ihre Habe war so gut wie unversehrt, das
Leben des Muli war gerettet, und sie selbst war wieder einmal mit dem Schrecken
davongekommen.
Draußen
hatte Olga bereits damit begonnen, die Gegenstände, die auf der Zeltplane
lagen, in Fannis Reisetasche zu packen.
»Alles
bestens geregelt«, resümierte Bernd. »Und jetzt sollten sich ein paar von uns
zusammentun und euer Gepäck zur Hütte schaffen.«
Fanni
und Sprudel hatten im Obergeschoss der Neltner-Hütte zwei Matratzenlager in
einem Raum mit sieben Schlafstellen zugewiesen bekommen. Auf dem Bord darüber
hatten sie ihre Utensilien abgelegt, jetzt waren sie dabei, die Rucksäcke für
den morgigen Gipfelanstieg zu packen.
»Fühlst
du dich wirklich fit genug für eine solche Bergtour?«, fragte Sprudel.
Fanni
sah ihn missbilligend an. »Ich habe an den Knien und in den Händen ein paar
Kratzer, sonst nichts. Und der Schrecken, der mir noch in den Knochen sitzt,
lässt sich – wie du weißt – am besten durch körperliche Anstrengung
verjagen.«
Sprudel
legte die Arme um sie. »Ich hätte dich nicht aus den Augen lassen dürfen. Ich
hätte mit dir kommen müssen.«
Fanni
schob ihn ein Stück von sich weg. »Sprudel, was redest du da? Stell dir vor,
wir beide hätten in dem Zelt gehockt, als das Muli darübergetrampelt ist.«
Er
ließ sich auf die Kante des Matratzenlagers fallen. »Mir will noch immer nicht
in den Kopf, dass jemand ein Muli vor unser Zelt gelockt, dort absichtlich
verletzt und auf diese Weise dazu angestachelt hat, wild draufloszustürmen.«
Fanni
setzte sich neben ihn. »Aber hatten wir nicht erwartet, dass der Täter noch mal
zuschlagen würde?«
»Ja,
das hatten wir«, erwiderte Sprudel. »Aber nicht so …«
»Kopflos«,
half Fanni aus.
»Kopflos?«
»Allerdings«,
sagte Fanni. »Ein Muli zu attackieren! Es hätte ihn selbst zu Tode trampeln
oder irgendeines der anderen Zelte zerstören können.«
Sprudel
stimmte ihr zu. »Er muss ziemlich verzweifelt sein.«
Fanni
sah ihn gleichmütig an. »Kein Wunder. Immer vorausgesetzt, dass er es von
Anfang an auf mich abgesehen hatte, musste der Täter – oder die Täterin,
um akkurat zu sein – bis jetzt einen Fehlschlag nach dem andern hinnehmen.
Beim ersten Versuch erwischte er das falsche Opfer, und bei den drei nächsten
ging sein Plan überhaupt nicht auf.«
Sprudel
wiegte den Kopf. »Er hat es halt auch nicht leicht. Er muss improvisieren, er
muss sich verstellen, er muss uns allen den Lauteren vorspielen.«
»Dafür
macht er seine Sache eigentlich ganz gut.« Fanni verstummte und dachte einen
Moment nach. »Und weißt du, was man ihm noch zugestehen muss?«, sagte sie dann.
»Dass er eine Menge Phantasie besitzt.«
Sprudel
nickte. »Bisher ist es ihm meisterhaft gelungen, Unglücksfälle zu inszenieren,
die so echt wirkten, dass sich ein Vorsatz kaum nachweisen ließe. Es gibt immer
haufenweise Erklärungen für das jeweilige Ereignis.«
»Die
Handschrift einer Frau?«, fragte Fanni.
»Was
den Einfallsreichtum betrifft, könnte man das denken«, antwortete Sprudel. »Und
der Anschlag im Restaurant würde auch gut auf eine weibliche Täterin passen.
Aber hätte eine Frau es ganz allein gewagt, uns beide in der dunklen Gasse in
Marrakesch zu überfallen? Hätte sie einem Muli ein Messer in den Bauch gerammt?«
Fanni
biss sich auf die Unterlippe. »Könnten wir es mit einem Täterpaar zu tun haben?«
Sprudel
hob die Hände und ließ die leeren Handflächen vor seiner Brust schweben. »Wir
wissen halt einfach gar nichts.«
»Dann
sollten wir jetzt mal überlegen, ob heute Nachmittag im Speisezelt jemand
gefehlt hat, der auch in dem Restaurant in Marrakesch für einige Zeit
verschwunden war«, schlug Fanni vor.
»Melanie
und die Seegers waren von Anfang an nicht da, Antje Horn hat sich irgendwann
verzogen, und als du gegangen bist, haben auch die Brügges das Speisezelt
verlassen«, zählte Sprudel auf.
Da
hat er ja schon eifrig Vorarbeit geleistet!
»Melanie«,
sagte Fanni gepresst. »Immer wieder Melanie. Wenn es hier in den Bergen
Handyempfang gäbe, würde ich Leni jetzt auf der Stelle fragen, ob sie etwas
über diese Frau herausgefunden hat.«
Draußen
knarrte die Holztreppe. Es hörte sich an, als würde jemand schweres
Weitere Kostenlose Bücher