Eskandar: Roman (German Edition)
wissen die Menschen in den abgelegenen Dörfern nicht einmal, dass es einen neuen König gibt, sagt Eskandar-Agha.
Anders als die Männer im Basar und im Teehaus ist Aftab-Khanum zufrieden, dass der alte König weg ist und sein Sohn die Macht übertragen bekommen hat. Sie geht nicht mehr in die Moschee und spricht nun beinah über nichts anderes mehr als über den jungen und, wie sie findet, attraktiven neuen König Mohammad-Resa.
Der arme Junge tut mir leid, sagt sie. Schließlich ist es für einen jungen Mann nicht leicht, alleine gegen zwei Großmächte und all die anderen Farangi anzukommen. Und dann muss er auch noch mit dem Argwohn des eigenen Volkes fertig werden, sagt sie und sieht ihren Eskandar-Agha beinah vorwurfsvoll an.
Wenn er auch nur einen Funken Verstand hat, sagt Eskandar-Agha, wird er mit dem Parlament zusammenarbeiten. Wäre ich an seiner Stelle, ich würde mich mit dem Abgeordneten Dr. Mohammad Mossadegh verbünden. Der ist klug und gebildet und gehört zu den wenigen, die sich nicht kaufen lassen. Und er hat genügend Kraft und Autorität, mit der er sich gegen die Farangi durchsetzen kann.
Die Mullah haben in der Moschee von ihm gesprochen, sagt Aftab-Khanum. Sie sagen, Mossadegh hat sich mit dem Vater unseres jungen Königs überworfen und musste deswegen ins Ausland fliehen. Die Mullah sagen, Mossadegh ist ein Mann, dem wir vertrauen können.
Eskandar-Agha kann seinen Unmut nur schwer verbergen, als er sagt, fragt sich, wie lange Sie und Ihre Mullah-Freunde dieser Meinung sein werden. Dr. Mossadegh ist nämlich ein furchtloser Kämpfer, der sich niemandem beugt. Er hat die Jahre im Exil genutzt, um internationales Recht zu studieren.
Was wollen Sie damit sagen?
Dass der verehrte Mossadegh mehr als jeder andere sich dafür einsetzen wird, dass nur noch studierte Richter und Anwälte und kein ungebildeter Mullah und Akhund Ehen besiegelt, Besitzverhältnisse regelt und willkürlich und nach eigenem Gutdünken über Recht und Unrecht entscheidet.
Zur Überraschung von Eskandar-Agha sagt Aftab-Khanum freundlich, machen Sie sich keine Sorgen. Seit der alte König weg ist, habe ich keinen Feind mehr. Und damit Sie es wissen, in unseren neuen König setze ich große Hoffnung. Alles, was meine Nachbarinnen und ich wollen, ist, dass seine hübsche Frau recht bald einen Sohn bekommt, damit er einen Nachfolger für seinen Pfauenthron hat.
Verstehe einer die Frauen, sagt Eskandar-Agha und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie haben den Armen verhöhnt, als er Prinzessin Fauzieh, die Schwester König Faruks von Ägypten, geheiratet hat. Sie und Ihre Schwestern haben gesagt, dass er sie nur aus politischen und taktischen Gründen genommen hat. Und jetzt beten Sie zu Gott, dass er dem Paar einen Sohn schenken möge? Und was den Pfauenthron betrifft, der gehört nicht Mohammad-Resa persönlich. Genau genommen gehört er nicht einmal den Iranern, sondern ist Diebesgut, das einer der früheren Könige bei einem seiner Feldzüge dem Volk der Inder entwendet hat.
Sehen Sie, sagt Aftab-Khanum, das ist ein Unterschied zwischen Frauen und Männern. Wir sind weniger nachtragend, und wir denken differenzierter als Sie. Als Mohammad-Resa seine Fauzieh heiraten musste, war es der Wille seines Vaters, und das haben wir verurteilt. Aber jetzt ist er unabhängig und kann selbst entscheiden. Und soweit es mich betrifft, hat er mir noch nichts Schlimmes angetan, und so wünsche ich ihm nur das Beste. Und was den Pfauenthron angeht, so hat jedes Land zu irgendeinem Zeitpunkt einem anderen Land etwas weggenommen. Und jetzt gehört der Pfauenthron uns, und ich wünsche mir einen Thronfolger.
Bitte, lassen Sie uns nicht wieder streiten, sagt Eskandar-Agha. Hauptsache, Sie und ich sind gesund und leben in Frieden miteinander.
Mir ist schon klar, was Sie sich darunter vorstellen, wenn Sie sagen, in Frieden miteinander leben. Sie wollen damit sagen, dass ich meine Zeit ausschließlich mit Ihnen verbringen soll, Ihnen im Laden helfe, mich um Sie kümmere, Sie täglich mit köstlichen Gerichten verwöhne, Ihren Rücken massiere und nur für Ihr Wohlbefinden da bin. Aftab-Khanum ringt nach Luft, bevor sie weitersprechen kann. Wissen Sie, eigentlich mag ich es, von meinem Mann gebraucht zu werden, aber ich habe mehr zu geben, als nur die Dienerin meines Ehemanns zu sein. Ich verfüge über genügend Energie, um meinen Landsleuten und meiner Heimat zu dienen.
Bevor Eskandar-Agha auch nur beginnt zu begreifen, was
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