Eskandar: Roman (German Edition)
Freude, dass die Ausländer manchmal mit Absicht durch öligen Schlamm gehen, um anschließend dem Boy zuzusehen, wie er ihre Stiefel putzt. Sie finden es very amusing, wie er beim Bürsten des Leders den Kopf hin- und herbewegt, seine Zunge zwischen den Zähnen herausguckt, wie er lächelt und glücklich ist, ihnen diesen Dienst erweisen zu können. Sie sagen, dieser Junge ist der beste Beweis dafür, dass Geld nicht alles bedeutet. Er ist arm und allein in dieser Welt, und trotzdem ist er glücklich und lächelt in einem fort.
Eskandar lernt schnell die Namen der Geräte und Werkzeuge im gro ßen Regal. Sextant, Abakus, Fernglas, Wasserwaage, Mikroskop, Meterband, und auf Wunsch bringt er sie den Saheb. Sogar ihre Hefte und Bücher kann er voneinander unterscheiden, obwohl er keinen einzigen Buchstaben kennt, sondern sich nur ihre Formen und Farben merkt. Manchmal trägt Eskandar ein Buch im Lager herum und kommt sich vor, wichtig wie die Farangi zu sein.
Manchmal hockt er vor dem Regal und blättert in den Büchern oder einem leeren Notizbuch. Vorsichtig berührt er die unbeschriebenen Seiten, als wären sie die Haut eines Menschen. Eskandar findet es aufregend, wie die sauberen Blätter ordentlich miteinander verbunden sind und darauf warten, mit Strichen, Kurven und Bildern der Farangi gefüllt zu werden.
Aufgeschriebenes Wissen besitzt einen hohen Wert, sagt Mesterr-Richard und schenkt ihm einen Stift und ein schwarzes Notizheft.
Der Junge hat den Sinn für Ordnung im Blut, finden die Farangi und wollen, dass er mittags und abends den Tisch für sie deckt und das Geschirr spült. Unsere Teller und Gläser sind noch nie so sauber gewesen, sagen sie und verkünden schließlich: The boy shall stay.
Die Gabeln unterzieht Eskandar einer besonders gründlichen Reinigung.
Sie landen jeden Tag im Mund eines anderen Saheb, erklärt er dem verdutzten Mesterr-Richard. Er selbst isst weiterhin mit den Fingern.
Du hast eben keine Kultur, sagt der Moteardjem und schiebt sich einen gehäuften Löffel Reis in den Mund.
Und so beginnt Eskandar zu begreifen, was Kultur bedeutet: mit Besteck essen, statt am bequemen Sofre auf dem Boden an schiefen Holzplatten auf vier Beinen und auf wackeligen Stühlen sitzen; trotz der Hitze Stiefel, Hut und schwere Kleidung tragen; Löcher in die Erde bohren; statt auf dem Boden in Betten schlafen und Gefahr laufen herauszufallen; scharfes Wasser trinken, bis man den Verstand verliert; Herrscher über alle anderen Menschen sein.
Kultur ist auch, dass die Farangi es nicht mögen, wenn Fliegen auf ihren Speisen herumkrabbeln, also bewaffnet Eskandar sich mit einer Fliegenklatsche und verscheucht oder erschlägt die Insekten, damit die Ungläubigen in Ruhe essen können.
Eine ebenso wichtige Kultur der Ausländer ist, dass sie ihre Hunde lieben.
Von seinem Dorf ist Eskandar den Umgang mit Hunden gewohnt, und von der Religion versteht er nicht genug, um zu wissen, dass der Prophet sie ähnlich wie Blut, Schweinefleisch, stehendes Wasser und andere Dinge als najess, als unrein, erklärt hat. So streifen die Hunde, anders als bei seinen Landsleuten, um Eskandar herum und lecken ihn sogar ab.
Eskandar macht es den Farangi nach, wirft einen Stock und lässt ihn von den Hunden zurückbringen, oder er versteckt ein Stück Fleisch hinter seinem Rücken, sagt sit, come, goh, sleeep und gibt es ihnen erst, wenn sie machen, was er will.
What makes my dog happy, makes me happy too, sagen die Farangi.
Dass Eskandar kein Geld für seine Arbeit bekommt, ist keine böse Absicht. Es denkt einfach nur niemand daran, zumal er in der Wüste ohnehin keine Gelegenheit hätte, es auszugeben. Eskandar selbst hat noch nie Geld gesehen, und von Dingen wie Lohn und Verdienst hat er keine Ahnung. Er ist zufrieden, weil er zu essen und mehr Wasser hat, als er jemals trinken könnte. Er hat einen Platz zum Schlafen, und nachts wärmt er sich am Feuer der Ausländer, ohne sich um Brennholz sorgen zu müssen, denn die Männer des Khan liefern ganze Karren davon.
Nach ein paar Wochen ist Eskandar nicht mehr nur Haut und Knochen, sein Haar sieht nicht mehr strohig aus, und seine Arme und Beine sind nicht mehr schorfig. Das freut vor allem Mesterr-Richard. Er prüft die Kraft in den Armen von Eskandar und sagt, real meat, good muscle. Khub, khub, good, good.
Gud, sagt Eskandar und spannt für seinen neuen Freund die Arme an. Ahay, du siehst aus wie ein Ausländerkind, rufen die anderen Jungen. Eskandar gefällt es,
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