Eskandar: Roman (German Edition)
Batshe-Farangi genannt zu werden, schließlich sind die Farangi wichtig und bestimmen über jeden und alles. Sie sagen, wo Wege, Straßen, Hütten gebaut, Zelte aufgestellt, Löcher gebohrt und in welches Loch Rohre geschoben werden.
Warum tun sie das?, fragt Eskandar den Übersetzer.
Sie suchen Naft, Petroleum, Erdöl, antwortet der Übersetzer. Was das ist und warum sie es haben wollen, erklärt er ihm allerdings genauso wenig wie den Grund, warum in der Erde seiner Heimat angeblich Naft zu finden sein soll, bei den Farangi aber nicht.
Wenn die Engelissi ein Loch besonders gerne mögen, ist Mesterr-Richard an der Reihe, seine Rohre und Bohrer in das Loch zu schieben.
Das ist eine schwierige Aufgabe, man muss höllisch aufpassen, damit der Bohrer nicht bricht, erklärt er. Die Arbeiter müssen in den Händen spüren, wenn der Bohrer auf einen harten Widerstand stößt, dann dürfen sie auf keinen Fall aufhören, im Kreis zu gehen, sondern müssen den Bohrer umso vorsichtiger in die Erde drehen. But veeery careful.
Caaarfuul, sagt Eskandar.
Mit dem Bohren von Löchern ist es wie im Leben, sagt Mesterr-Richard. Man muss spüren, wann es besser ist, nicht gegen Widerstände anzukämpfen, sondern sich ihnen zu ergeben. Merk dir das, sagt der Kanadier und schreibt den Satz in den Notizblock, den er Eskandar geschenkt hat.
Eskandar würde das Sich-im-Kreis-Drehen einem Esel überlassen, so wie sein Vater und die Männer aus dem Dorf früher das Korn von den Eseln haben mahlen lassen. Aber der Übersetzer sagt, er soll den Mund halten und verschwinden. Eskandar gehorcht und verschwindet und sagt leise faack, auch wenn er noch immer nicht weiß, was es bedeutet. Aber außer faack hat er eine Menge anderer Worte in seinem Kopf gesammelt.
Dig the damn hole.
Where is the faacking petroleum?
Open the brandy.
I need to piss.
Bunch of useless rocks.
These bloody boys have lice.
Water.
You are so stupid.
Dumb as a donkey.
I want to faack. Wieder das verbotene Wort.
Eines Abends, nachdem er das Geschirr gewaschen, Tee aufgebrüht und den Männern gereicht hat, hockt Eskandar sich neben Mesterr-Richard und macht seinen ersten vorsichtigen Strich in das Notizheft, einen zweiten, noch einen und noch ein paar mehr.
Boy, du hast einen Tisch gezeichnet, sagt Mesterr-Richard. Eskandar grinst so, wie er es seinem ausländischen Freund abgeguckt hat, Zähne zusammen und den Mund weit geöffnet. Das ist Morad-kadjeh, antwortet er.
Saheb, der Junge spinnt, er sagt, sein Tisch heißt krummer Morad.
Fragen Sie ihn, wer der krumme Morad ist.
Möge Gott dir die Zunge aus dem Mund reißen, wenn du wieder endlos lange Märchen erzählst, droht der Übersetzer.
Morad-kadjeh ist unser Kadkhoda gewesen. Wieder verzieht Eskandar sein Gesicht auf die gleiche Art. Morad-kadjeh hat in unserem Dorf das Sagen gehabt und bestimmt, wann das Wasser in welche Gärten und Felder umgeleitet wird. Er hat das Saatgut vom Arbab bekommen, unter den Leibeigenen verteilt und gewusst, welches Korn wann in die Erde muss, damit es gut wächst. Er hat das Schlachtvieh ausgesucht und bestimmt, welcher Käse im Dorf bleibt und welchen sie zum Arbab schicken.
Sagen Sie ihm, er soll weiterreden, sagt Richard. Er ist ein begabter Erzähler, und es ist eine Freude, ihm zuzuhören. In der kurzen Zeit, seit der Junge hier ist, habe ich mehr über dieses Land erfahren als in den ganzen acht Jahren, die ich nun schon hier bin.
Ja, Saheb, er ist begabt. Junge, fass dich kurz, sagt der Übersetzer. Eskandar nimmt einen Stock und geht krumm wie der alte Dorfvorsteher, dann schiebt er sich den Stock ins Hemd, streckt die Nase in die Luft und geht aufrecht wie die Farangi.
Junge, sei vorsichtig, was du tust, warnt der Übersetzer, wenn du so weitermachst, wachst du morgen früh ohne Kopf auf.
Lassen Sie ihn, beruhigen die iranischen Ingenieure den Übersetzer. Hauptsache, unsere Farangi-Freunde amüsieren sich und haben gute Laune.
Kennst du nur Geschichten aus deinem Dorf oder auch solche von woanders?, lässt der Kanadier übersetzen.
Eskandar zuckt die Schultern und erzählt, was er während des Essens bei den iranischen Ingenieuren und Angestellten aufgeschnappt hat. Es hat eine Tabakrevolution im Iran gegeben, sagt er. Und das Volk hat gegen den Verräterkönig gesiegt, und der musste die Rechte, die er an die Farangi verkauft hatte, wieder zurücknehmen.
Mit einem Mal sind alle still, nur der Übersetzer schüttelt langsam den Kopf und fragt, ist dir
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