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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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neben dem anderen, bequeme Sessel, Sitzkissen auf weichen Teppichen wirken so einladend, dass Eskandar-Agha sich am liebsten gleich hineinfallen lassen würde. Die Luft ist kühl und getränkt vom Duft des blühenden Ginsters, der in Töpfen auf der Terrasse steht.
    Bitte, läuten Sie, sagt der Wächter, der Eskandar-Agha bis zu den Stufen begleitet hat.
    Die Frau, die die Tür öffnet, trägt ein schwarzes Kleid, eine weiße Schürze und ein weißes Häubchen. Einmal hat Eskandar-Agha im Fernsehapparat in einem Teehaus eine derart gekleidete Frau gesehen und weiß daher, dass sie eine Bedienstete ist. Allerdings hat er nicht gewusst, dass es auch im Iran Bedienstete dieser Art gibt.
    Einen Moment bitte, sagt sie höflich wie eine Dame und verschwindet, was Eskandar-Agha Gelegenheit gibt, einen Blick in das Innere des Hauses zu werfen. Von einer riesigen Eingangshalle führt eine breite, geschwungene Treppe nach oben. An der hohen Decke hängt eine Lampe aus tausend funkelnden Stückchen Glas.
    Oh, Sie sind es, erschreckt Roxana ihn. Sie versucht nicht einmal zu verbergen, wie unangenehm ihr sein Besuch ist.
    Eskandar-Agha lächelt, will eintreten, doch Roxana rührt sich nicht von der Stelle, um ihm Platz zu machen.
    Soll ich den Herrn in den Bedienstetentrakt führen?, fragt die Dienerin. Doch auch jetzt verzieht Roxana keine Miene, starrt stattdessen auf den Schweiß, der sich auf der Stirn von Eskandar-Agha bildet.
    Welcher Teufel hat mich nur geritten hierherzukommen?, fragt Eskandar-Agha sich selbst. Am liebsten würde er sagen, ich bin es, derselbe Mann, den du kürzlich noch vor aller Augen umarmt hast, derselbe Mann, der dich in die Arme geschlossen hat, als du in diese Welt gekommen bist. Ich habe dich zur Amme getragen, habe dich beschützt, dich gewaschen.
    Kommen Sie, murmelt Roxana, nimmt ihm sein Bündel ab, lässt es beinah fallen, weil es schwerer ist als gedacht. Die Dienerin greift rasch danach und verschwindet damit, ohne weitere Anweisungen abzuwar ten.
    Als Eskandar-Agha seine Schuhe ausziehen will, sagt Roxana, nein, nein, nicht nötig, wir putzen jeden Tag. Dann führt sie ihn in einen prächtigen Salon, wo sich bereits viele Frauen und Männer aufhalten.
    Oh, vergeben Sie, flüstert Eskandar-Agha, ich wusste nicht, dass Sie Gäste haben. Ich werde sofort wieder gehen und nicht weiter stören.
    Wieder zögert Roxana und mustert ihn, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Nein, murmelt sie kaum hörbar und geleitet ihn zu einem kleinen Tisch mit zwei leeren Stühlen. Ungefragt bringt eine Dienerin ein Ta blett mit einem Krug Limonenwasser, in dem Eiswürfel schwimmen, und einem sauberen Glas. Als sie schon wieder gehen will, erkennt sie die Verunsicherung von Eskandar-Agha, lächelt und füllt sein Glas auf. Bitte, mein Herr, erfrischen Sie sich, trinken Sie, so viel Sie, möchten, sagt sie ohne die geringste Spur von Ironie oder Verachtung.
    Eskandar-Agha blickt sie dankbar an, trinkt einen winzigen Schluck und stellt das Glas rasch ab.
    Die Dienerin sieht ihn an und macht einen Knicks, worauf Eskandar-Agha aufspringt, um sie zu stützen. Doch an den Blicken der Leute und der Reaktion der Dienerin merkt er, dass das Kurz-in-die-Knie-gehen-und-wieder-Hochkommen Teil eines Rituals ist, was er nicht kennt. Seine Unbeholfenheit, seine abgetragene Kleidung, der Geruch von billiger Seife, alles an sich selbst findet er mit einem Mal peinlich. Hat er wirklich geglaubt, dass eine Frau wie Roxana ihn freundschaftlich, vielleicht sogar wie ein Mitglied der Familie empfangen würde?
    Und dann kommt es noch schlimmer. Roxana geht in die Mitte des Salons, entschieden und selbstbewusst klatscht sie in die Hände, wartet, bis ihre Gäste sie bemerken und still sind. Sie räuspert sich, streicht ihren Rock glatt, schiebt sich Strähnen, die nicht da sind, aus dem Gesicht und sieht auf ihre Füße. Als sie den Kopf hebt und den Mund öffnet, um endlich zu sprechen, bleiben ihr die Worte in der Kehle stecken, und alle sehen es, Roxana hat Tränen in ihren stahlblauen Augen. Wie eine junge Pflanze im Frühling steht sie da und rührt sich nicht. Und mit einem Mal sieht sie für Eskandar-Agah nicht mehr aus wie eine reiche Dame aus dem Norden der Stadt, sondern wie die kleine Roxana, die im Hof ihrer Großmutter, Rohan-Khanum, hin und her gerannt und auf und ab gesprungen ist, bis sie sich erschöpft in die Arme ihres großen Eskandar geworfen hat und eingeschlummert ist.
    Liebe Freunde, sagt sie mit bebender Stimme

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