Eskandar: Roman (German Edition)
und verwirren Eskandar-Agha. Und am Ende bekommt er sogar Angst.
Am nächsten Freitag schenkt Eskandar-Agha seinem neuen Freund sowohl den Abzug als auch das Negativ und denkt nicht einmal mehr daran, zur Polizei zu gehen.
Und dann geschieht etwas, womit Eskandar-Agha nicht gerechnet hätte. Seine Nachbarn werden immer skeptischer, nicht gegenüber dem vermeintlichen Spion, sondern ihm selber gegenüber.
Was ist das überhaupt für ein Verhalten?, tuscheln sie hinter seinem Rücken. Seit Jahren läuft er in den Straßen herum und macht Bilder von allem und jedem und macht sich alle möglichen Notizen und Skizzen. Was tut er mit den Bildern? Wem gibt er sie?, fragen die Nachbarn argwöhnisch. Wir müssen uns in Acht nehmen, sagen sie schließlich und gewöhnen sich daran, ihm gegenüber die Wahrheit zwischen ihren Worten zu verstecken.
Als Nächstes taucht der Besitzer des Hauses auf und wirft einen der Nachbarn aus seinem Zimmer im hinteren Teil des Hofes und erklärt, er braucht das Zimmer für einen Verwandten, und niemand wundert sich, dass dieser Verwandte Agha-Javad ist, der noch am selben Nachmittag zusammen mit seiner Schwester in das zwangsgeräumte Zimmer einzieht.
Obwohl sie die dreißig oder sogar fünfunddreißig längst überschritten hat, ist die Schwester von Agha-Javad unverheiratet. Jeder der Nachbarn hat eine andere Erklärung dafür, warum eine Frau in ihrem Alter noch nicht verheiratet ist, keine Kinder hat und mit ihrem Bruder lebt. Sie können es kaum erwarten, von ihr selber die Gründe dafür zu erfahren.
Khadije-Khanum ist eine ruhige Frau, die nur dann spricht, wenn sie gefragt wird, was ganz im Gegensatz steht zu ihren Augen, die wach und ständig in Bewegung sind und denen nichts entgeht.
Es dauert nicht lange, da mögen alle Khadije-Khanum, denn sie hilft und macht sich nützlich, wo immer sie kann, beim Wäschewaschen, Geschirrspülen, Kinderhüten, Hühnerstallsäubern, Hofkehren und Fensterputzen. Während Eskandar-Agha unterwegs ist, räumt Khadije-Khanum sogar sein Zimmer auf, fegt seinen Teppich, spült sein Geschirr, stopft seine Socken und das Loch im Vorhang der Eingangstür. Manchmal findet Eskandar-Agha, wenn er nach Hause kommt, ein gedecktes Sofre mit warmem, oft noch dampfendem Essen vor. Als Khadije-Khanum ihn eines Tages mit einem seiner beiden Leibgerichte, nämlich Reis mit Fisch, überrascht, bittet Eskandar-Agha sie so lange, bis sie nachgibt und sein Sofre mit ihm teilt.
Woher haben Sie gewusst, dass Mahipolo eines meiner zwei Leibgerichte ist?, fragt er und spürt, wie es ihm warm ums Herz wird, als sie ihn ansieht und scheu wie ein Reh lächelt.
Das habe ich nicht gewusst, antwortet sie. Jedes Mal, wenn ich eine neue Speise für Sie zubereitet habe, hatte ich die Hoffnung, dass ich Ihren wahren Geschmack treffen und Ihr Herz erwärmen würde.
Und genau das haben Sie nun erreicht, sagt Eskandar-Agha, sieht sie eine Weile an und sagt dann, wenn es Ihr Wunsch ist, werde ich Ihnen verraten, mit welcher anderen Speise Sie mir ebenfalls eine Freude bereiten könnten. Es ist Auberginen-Khoresht, verrät er, ohne ihre Antwort abzuwarten.
Am nächsten Abend beeilt Eskandar-Agha sich, nach Hause zu kommen, um das Khoresht-Bademjan, das Khadije-Khanum für ihn gekocht hat, zu probieren. Bereits nach den ersten Bissen, die er sich in den Mund schiebt, sagt er, verehrte Khanum, Sie haben alle meine Erwartungen übertroffen. Und dann rutscht Eskandar-Agha etwas heraus, das er eigentlich nicht vorhatte zu sagen. Dieses Khoresht, sagt er, schmeckt sogar noch besser als das Bademjan, was meine Aftab-Khanum für mich zubereitet hat. Eskandar-Agha hält inne, stellt fest, es tut gar nicht mehr so weh, an seine verstorbene Frau zu denken und über sie zu sprechen, und schenkt Khadije-Khanum ein freundliches Lächeln.
Mit Ihrer Erlaubnis, sagt Khadije-Khanum, habe ich die Kleider Ihrer verstorbenen Frau, Gott hab sie selig, aus der Nische geräumt und sie in die Moschee gebracht, damit man sie den Armen spendet, denn die Motten hatten sich bereits darin eingenistet.
Eskandar-Agha schweigt, kaut bedächtig weiter, zählt die Monate, seit seine Frau gestorben ist, merkt, dass er bereits weit über das Pflichtjahr hinaus um sie getrauert hat, und fragt, während er weiterkaut: Möchten Sie, dass ich Ihren Bruder frage, ob er Sie mir zur Frau gibt?
Khadije-Kahnum schweigt, sieht, wie es sich gehört, sittsam zu Boden und nickt kaum merklich.
Agha-Javad stimmt der Heirat
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