Eskandar: Roman (German Edition)
freudig zu und kassiert grinsend das Brautgeld. Die Braut hat außer ihrem Bruder weder Verwandte noch Freunde. Eskandar-Agha besitzt ohnehin keine Verwandten, die er einladen könnte. Den Gedanken, in den Norden der Stadt zu fahren und Roxana und ihre Kinder einzuladen, lässt er gleich wieder fallen. So feiert er seine zweite Hochzeit im Kreis seiner Nachbarn, die ihren Argwohn zumindest für diesen Abend vergessen und sich über die köstlichen Speisen und die Abwechslung freuen.
Eskandar-Agha selber ist weder besonders glücklich noch unglücklich. Er ist einfach nur zufrieden, nicht länger allein leben zu müssen.
Ein paar Wochen nach der Hochzeit wird Khadije-Khanum schwanger. Die Nachbarn sagen, eine Alte wie sie hätte aufpassen müssen.
Sie werden ein guter Vater sein, sagt der Nachbarjunge Hossein. Das sehe ich daran, wie Sie mich behandelt haben. Ich sollte nicht schlecht hinter dem Rücken meines Vaters sprechen, aber Sie und Ihre verstorbene Frau Aftab-Khanum, Gott hab sie selig, sind freundlicher zu mir gewesen, als mein Vater, dessen eigenes Fleisch und Blut ich bin, es je war. Das ist die Wahrheit, die reine Wahrheit, sagt er, ansonsten soll mich der Zorn Gottes auf der Stelle treffen und mich mit Steinen erschlagen, sodass ich tot umfalle.
Hör auf mit diesem sinnlosen Schwören. Eskandar-Agha winkt ab. Gott hat noch nie Steine auf irgendeinen Menschen geworfen und wird es auch in Zukunft nicht tun.
Bei der Geburt seiner Tochter, seinem ersten Kind, stirbt Khadije-Khanum beinahe. Es dauert eine ganze Woche, bis die Farbe wieder in ihr Gesicht zurückkehrt, bis sie wieder spricht, isst und trinkt. Wie sie so daliegt, halb tot, und niemand Hoffnung hat, dass sie überlebt, erinnert sie Eskandar-Agha an Tajelmoluk.
Sie werden es schaffen. Sie werden nicht sterben. Dafür ist der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen, sagt er und berichtet von Tajelmoluk und dass seither immerhin vierzig Jahre vergangen sind. Anders als damals gibt es heute Medikamente, Ärzte und Krankenhäuser, sagt er. Wir sind in der Hauptstadt. Die Wege sind kurz, und ich kann eine Taxe oder eine Droschke mieten und Sie zum Hakim oder sogar zu einem richtigen Arzt fahren. Er erzählt, dass er Roxana zur Amme gebracht hat, dass er nun seine eigene Tochter zu der Frau auf der anderen Seite vom Hof bringt. Sie scheint gute Milch zu haben, sagt Eskandar-Agha, denn ihre eigenen Kinder sind kräftig und gesund.
Mit seiner Tochter im Schoß hockt Eskandar-Agha neben seiner zweiten Frau auf dem Boden und liest in seinen Notizen. Weder ist er glücklich noch unglücklich. Am vierten Morgen schließlich schlägt Khadije-Khanum die Augen auf und sagt mit schwacher Stimme, ich habe alles gehört, was Sie gesagt haben, aber Gott hat nicht gewollt, dass ich spreche.
Sie haben alles gehört?
Alles, sagt sie.
Das ist seltsam, sagt Eskandar-Agha.
Alles, sagt sie. Aber verstanden habe ich nur die Hälfte, und jetzt habe ich alles wieder vergessen.
Den gleichen Fehler wie mit seiner ersten Frau Aftab-Khanum will Eskandar-Agha mit seiner zweiten Frau nicht machen. Es soll keine Geheimnisse zwischen uns geben, sagt er und will gerade anfangen zu erzählen, da fällt Khadije-Khanum ihm ins Wort.
Oh, bitte, sagt sie. Als ich eingewilligt habe, Ihre Frau zu werden, wusste ich, dass Sie bereits ein Leben hatten und eine Vergangenheit, aber das interessiert mich nicht. Mir reicht es zu wissen, was Sie in Ihrem derzeitigen Leben tun und nicht tun.
Gut, sagt Eskandar-Agha, lassen wir also die Vergangenheit ruhen. Wenn Sie damit einverstanden sind, möchte ich unserem Kind den Namen meiner Mutter geben. Sie hieß Sahra.
Wie Sie meinen, murmelt Khadije-Khanum, gähnt, wendet sich ab und schläft wieder ein.
Eine unangenehme Überraschung
Sahra ist ein stilles, aber aufmerksames Mädchen. Sie kann sogar ein paar Worte sprechen, noch bevor sie ein Jahr alt ist. Alle Nachbarn mögen sie, spielen mit ihr, kneifen sie zärtlich in die Wange, rufen sie liebevoll mit den schönsten Kosenamen. Goldherz, Sonnenschein, Goldzucker, Rehauge und was ihnen sonst noch in den Sinn kommt. Besonders der Nachbarjunge Hossein ist vernarrt in sie. Wenn du groß bist, werde ich deinen Vater, den verehrten Eskandar-Agha, um deine schöne Hand bitten, flüstert er ihr ins Ohr. Aftab-Khanum hätte es sicher gefallen.
Eines Tages, als Eskandar-Agha vom Brotkaufen mit seiner Sahra zurückkommt, hört er bereits von Weitem den Krach, und als er den Hof betritt,
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