Eskandar: Roman (German Edition)
lassen. Sie können mir mein Kind wegnehmen, alles das gesteht das verdammte Gesetz Ihnen zu. Aber ich werde dieses Haus und diesen Hof nicht verlassen, ich werde in das Zimmer von Javad-Agha ziehen und dort wohnen. Der Hundesohn wird sowieso nicht wieder zurückkommen. Ich werde tun und lassen, was ich will.
Das können Sie nicht, sagt Eskandar-Agha, weiß aber, dass sie es tun wird.
Ein paar Tage schafft er es, ihr aus dem Weg zu gehen, sie nicht zu beachten und sich nicht vom Gerede der Leute beeinflussen zu lassen. Doch nach einer Woche fängt sie ihn ab und sagt, dass sie Geld braucht.
Das ist eine Angelegenheit, die mich nichts mehr angeht, sagt Eskandar-Agha. Sie wissen, dass ich beim Mullah war und mich von Ihnen habe scheiden lassen, und die nötigen Papiere für die Regierung habe ich ebenfalls unterschrieben.
Dann muss ich eben auf meine Weise Geld verdienen, sagt sie, lässt den verdutzten Eskandar-Agha stehen und geht in die Gasse hinaus. Kaum eine halbe Stunde später kommt sie mit einem fremden Mann zurück und verschwindet mit ihm in ihr Zimmer. Zwanzig Minuten später taucht sie wieder im Hof auf. Die oberen Knöpfe ihres Kleides stehen offen, sie trägt kein Kopftuch, und sie lächelt anzüglich. Es ist dasselbe Lächeln, das sie Eskandar-Agha geschenkt und von dem er gedacht hat, er sei der einzige Mann, der es jemals zu sehen bekommen wird.
Sahra löst sich von seiner Hand, rennt zu ihrer Mutter, wirft sich in ihre Arme und lächelt glücklich, als der Fremde ihr in die Wange kneift und einen Kuss auf die Stirn drückt.
Das ist zu viel für Eskandar-Agha. Er zerrt die schreiende Sahra vom Arm ihrer Mutter, verschwindet mit ihr in sein Zimmer, schließt die Tür und das Fenster, obwohl die Luft im Zimmer vor Hitze steht und ihn und sein Kind betäubt und sie schläfrig macht. Noch am selben Tag kündigt Eskandar-Agha sein Zimmer, packt seine Sachen und die von Sahra in Bündel, vertraut seine Notizbücher und Kisten mit den Fotografien dem Nachbarjungen Hossein-Agha an, verabschiedet sich unter Tränen von ihm, verspricht, seinen neuen Aufenthaltsort mitzuteilen, und hofft, Khadije-Khanum nie wiedersehen zu müssen.
Die Droschke, die Eskandar-Agha gemietet hat, ist zwar billig, aber derart klapprig, dass sie damit nur bis zum Ende der Gasse kommen. Sobald sie in die Hauptstraße biegen, bricht die Achse der Droschke, und sie kippt um. Eskandar-Agha und Sahra haben Glück, dass ihr Gepäck nur aus Kleidern und leichten Gegenständen besteht und sie nicht verletzt, als es auf sie fällt. Dafür haben die Zügel und das Zaumzeug dem Pferd das Maul blutig gerissen. Es schüttelt sich, hebt und senkt den Kopf heftig und schnaubt und wiehert mit weit aufgerissenen Augen vor Schmerzen. Sahra sieht das Blut, fängt an zu weinen, will sofort zu ihrer Mutter zurück, schreit und läuft in die Gasse, wo Eskandar-Agha sie nur mit Mühe einfangen kann.
Ein paar Tage schlafen sie in Gasthäusern, von denen es jetzt in Teheran eine Menge gibt. Doch es ist unbequem, teuer und ohnehin keine Lösung. Tagsüber sind sie von Gasse zu Gasse unterwegs, und Eskandar-Agha sucht nach einem geeigneten Zimmer. Sahra muss er überallhin mitnehmen, sie ist erschöpft und wirkt halb tot, wenn sie abends in den Armen ihres Vaters einschläft.
Als er endlich ein Zimmer findet, ist es feucht, weil sein Boden das Dach der Wasserzisterne ist, mit der der ganze Hof versorgt wird. Eskandar-Agha bekommt Schmerzen in den Knochen und Gelenken, und sein Kopf brummt, weil die vielen Menschen in den anderen Räumen immer laut sind, selbst nachts geben sie keine Ruhe. Eskandar-Agha weiß nicht, wie sein Leben weitergehen soll. Er muss Geld verdienen. Wie soll er sich da um sein Kind kümmern? Am liebsten würde er seine verletzte Ehre und seinen Stolz vergessen, zu Khadije-Khanum zurückkehren, ihr verzeihen und dem Kind seine Mutter zurückgeben. Sahras Gejammer nach Khadije-Khanum ist so unerträglich, dass er sie manchmal alleine im Zimmer einschließt, wo sie vor sich hin weint, bis sie vor Erschöpfung einschläft.
Als ihm eines Tages auch noch die Hand ausrutscht und er sein Kind schlägt, nimmt Eskandar-Agha die Farvahar-Kette, die er seiner Aftab-Khanum geschenkt hatte, von seinem eigenen Hals und hängt sie seiner Tochter um.
Soll der Geist meiner klugen Aftab-Khanum dich armes Kind schützen.
In der Nacht hat Eskandar-Agha einen Traum. Seine Aftab-Khanum steht vor ihm, stemmt die Arme in Seite und sieht ihn einfach nur
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