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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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Sie selber in einem Teil dieses Landes in die Welt gekommen, in dem noch heute Kinder, Frauen und Männer von Hunger und einfachsten Krankheiten dahingerafft werden.
    In ihren Augen erkennt Eskandar-Agha, dass Roxana diesen Teil ihres Lebens längst vergessen hat.
    Nein, Khanum, die beiden Räume, in denen ich hier zusammen mit meiner Sahra leben darf, sind hell und groß, jetzt im Sommer ist es luftig und im Winter bestimmt nicht schwer, die Räume warm zu halten und sich darin wohlzufühlen. Ich kann durch die großen Fenster in den Garten hinaussehen, und zwischen all den Bäumen, mit dem Djub, der vor der Tür vorbeifließt, weitab vom Trubel der Gäste und dem Kommen und Gehen im Haupthaus, fühle ich mich ein wenig wie in meinem Dorf. Das ist gut für mich und auch für meine kleine Sahra. Nein, verehrte Frau-Roxana, ich bin glücklich, nicht hier in diesem großen Haus wohnen zu müssen. Ich würde mich ohnehin darin verlaufen, sagt er, sieht Roxana an, und zum ersten Mal, seit er vor Monaten in ihr Haus gekommen ist, fühlt er sich ihr nah.
    Ich bin froh, dass Sie und Ihre Sahra bei uns sind, sagt Roxana. Meinen Kindern und mir tut es gut. Und dass das Gärtnerhäuschen bewohnt ist, ist auch gut.
    Gerührt sieht Eskandar-Agha seine Roxana an, verwirft aber den Gedanken zuzugeben, dass er damals nicht in einem der Gästezimmer im Haupthaus wohnen wollte, weil er wusste, dass seine Aussichten, länger oder vielleicht sogar für immer zu bleiben, größer sind, wenn er gleich im hinteren Teil des Gartens unterkommt.
    Roxana lacht erleichtert und streicht sich Strähnen aus dem Gesicht, die nicht da sind. Übrigens stimmt es nicht, dass ich Kommunistin bin, sagt sie mit einem Mal und wirkt wie ein Kind, das sich gegenüber seinem Vater verteidigt.
    Das weiß ich, sagt Eskandar-Agha in väterlichem Ton. Und wenn Sie es wären, wäre es mir auch egal. Aber ich kann verstehen, dass jemand wie die verehrte Mahrokh-Khanum von einem Menschen wie Ihnen, der von Gleichheit und gleichem Recht spricht und einem Mittellosen wie mir und meinem Kind Unterschlupf gewährt, glaubt, er sei Kommunist. Denken Sie nicht schlecht von ihr. Immerhin ist sie die Frau, die Ihnen eine liebende und auch großzügige Mutter gewesen ist.
    Sprechen Sie von diesem Haus, dem Garten, den Autos, den kostspieligen Schulen meiner Kinder? Roxana lächelt bitter. Das alles habe ich meinem verstorbenen Mann und vor allem meiner eigenen Arbeit zu verdanken.
    Ich will ehrlich mit Ihnen sein, sagt Eskandar-Agha und ringt nach Worten. Sie hätten Ihren Mann, Gott hab ihn selig, nicht gefunden, hätte die reiche und in der Gesellschaft anerkannte Mahrokh-Khanum Sie nicht als Ihre Tochter angenommen. Auch Ihren Beruf hätten sie nicht erlernen können, wäre Mahrokh-Khanum nicht für Ihre Ausbildung aufgekommen. Und wie schlecht auch immer sie gewesen sein mag, sie hat auch ihre guten Seiten, sagt Eskandar-Agha und wundert sich über sich selbst, weil er wirklich glaubt, was er sagt.
    Es macht mich traurig, über diese Dinge zu sprechen, antwortet Roxana und wechselt das Thema. Sehen Sie, sagt sie, Sie haben doch gesagt, dass Sie im Büro des Premiers Zeitungsartikel über ihn gesammelt und ausgewertet haben. Das letzte Mal, als ich in Amrika war, habe ich diese Zeitschrift gesehen und sie aufgehoben, damit ich sie Ihnen bei Gelegenheit gebe, sagt Roxana.
    Aber das ist ja unser verehrter Premier Mossadegh, ruft Eskandar-Agha.
    Das ist Time, eine der wichtigsten Zeitschriften der Amrikai, erklärt Roxana. Sie haben das Bild unseres Premiers auf der Titelseite abgebildet, weil sie ihn zum Mann des Jahres gewählt haben. Das ist sehr wichtig für uns und unser Land. Viele Amrikai bilden sich nämlich erst eine Meinung, wenn sie Time gelesen haben.
    Taim, liest Eskandar-Agha stolz und grinst, als hätten sie sein Bild abgedruckt. Und ich dachte, die Farangi brauchen keine Belehrung, um sich eine Meinung zu bilden.
     
    Nicht nur weil er seine Notizbücher und die Kiste mit den Fotografien, die er beim früheren Nachbarjungen Hossein-Agha zurückgelassen hat, abholen will, fährt Eskandar-Agha mit dem Bus in den Süden der Stadt, zu seinem alten Zimmer. Er will auch wissen, was aus der bedauernswerten Khadije-Khanum, immerhin der Mutter seiner Tochter, geworden ist.
    Auf dem Weg wird der Bus mehrere Male angehalten und von Soldaten und Polizisten, keiner weiß, wonach, durchsucht. Demonstranten, Transparente, berittene Polizei und Soldaten, Panzer an den

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